Hörfunk Hörfunk: Ende einer Radio-Ära

Halle (Saale)/MZ. - Er hat alles überstanden, der Mann mit den grauen Locken und dem Dreitage-Bart. Den Umzug seines Senders DT64 von Berlin nach Halle, die Umbenennung in MDR Sputnik, Klagen von Mitarbeitern, die sich zu hart angefasst fühlten, Korruptionsvorwürfe und Ermittlungen der Sondereinheit Ines. Nun aber, fünf Jahre nach der großen Krise, die ihn zwar die Leitung seines Senders Sputnik kostete, nicht aber den geliebten Chefposten, endet die Ära Michael Schiewack beim MDR. Der 59-Jährige, zuletzt nur noch Programmchef des Senders Jump, wolle sich "noch einmal neuen Aufgaben zuwenden" hieß es in einer dürren Pressemitteilung des MDR.
Ein Abschied, der überraschend kam, aber so überraschend nicht ist. Seit einer Woche schon geistern Gerüchte unter den Mitarbeitern im Funkhaus Halle, am Freitagnachmittag war es dann offiziell. Sechs Wochen nach Sputnik-Chef Eric Markuse, der Veränderungen des Senderprofils nicht hatte mittragen wollen, verlässt mit Schiewack auch der zweite Chef einer Jugendwelle den MDR.
Für viele Mitarbeiter im Funkhaus an der Spitze offenbar eine Stunde der Befreiung. Spontan seien Weinflaschen geöffnet worden, heißt es, Kollegen hätten einander abgeklatscht, ehemalige Mitarbeiter jubelten im Internet bei radioforen.de über den Abschied des Mannes, der schon eine Woche lang nicht mehr im Sender gesehen worden war: "20 Jahre zu spät".
Zwei Jahrzehnte, in denen Michael Schiewack vom entschlossenen Retter der DDR-Jugendwelle DT64 zum barocken Herrscher über ein ganzes Radioreich wurde. Für den Doppel-Chef bei Jump und Sputnik war nur der Himmel das Limit: Hörerreisen zum Karneval nach Brasilien und Partys zur Feier der Medienanalyse (MA) genannten Zählung der Hörer, Kongresse und die Jump-Arena - Schiewack, der sich gern "Mischko" nennen ließ, führte das Radio aus dem Äther ins Leben und es kostete nur Rundfunkgebühren. Die hatte die private Konkurrenz nicht, weshalb er sie gern "Klitschen" nannte. Von Mitarbeitern wünschte er sich "bring mir den Mick Jagger", wer nicht spurte oder nicht gefiel, wurde ausgetauscht.
Schiewack habe sich immer als eine Art Stefan Raab des Radios gesehen, sagt ein früherer enger Mitarbeiter. "Er wollte nicht nur Stars holen, er wollte welche machen." Das aber gelang immer weniger. Hatte der MDR die kantigen Führungsmethoden des studierten Kulturwissenschaftlers aus der Lausitz, der inzwischen in Leipzig lebt, hingenommen, so lange Schiewack Erfolge damit einfuhr, dürfte die letzte Medienanalyse den Sender bestärkt haben, den mit der Programmänderung beim Schwestersender Sputnik eingeleiteten Umbau auf Jump auszuweiten. Zwar wiesen die Zahlen des Radiodenkmals, das einst als Redakteur bei "Stimme der DDR" angefangen hatte, Erfolge für Jump nach. "Bei genauerer Betrachtung aber ist der Sender zwar sehr bekannt", sagt ein Insider, "aber er wird nicht entsprechend häufig eingeschaltet."
Mit 250 000 Hörern pro Stunde liegt Jump rund 100 000 hinter der privaten Konkurrenz von SAW - und weit unter dem Zuspruch, der noch vor Jahren erreicht wurde. Ohne das Wort "Umprofilierung" kommt kaum ein Insider aus dieser Tage. Wie es weiter geht, ist ungewiss. Mancher sei froh, dass vorüber sei, sagt eine MDR-Frau, andere schauten verunsichert in die Zukunft. "Viele hier kennen Radio ja nur mit Mischko als Chef."