Hitler-Forscher Eberhard Jäckel wird 80
Stuttgart/dpa. - Das ist kein nettes Geburtstagsgeschenk für Eberhard Jäckel. Der international renommierte Historiker empfindet es als Zerstörung seines Lebenswerks, wenn seine Universität in Stuttgart - wie kürzlich angekündigt - tatsächlich tiefe Einschnitte bei den Geisteswissenschaften vornimmt.
Maßgeblich war der renommierte Hitler-Forscher am Aufbau des Historischen Instituts in seiner Wahlheimat beteiligt, das er nun in der Existenz bedroht sieht. Am 29.6. wird Eberhard Jäckel 80 Jahre alt.
Die Erforschung Nazi-Deutschlands, des Völkermords an Juden, Sinti, Roma und vor allem des Umgangs der Deutschen mit der NS-Vergangenheit sowie der deutschen Frage haben Jäckel weltweit bekanntgemacht. Wie kaum ein anderer nutzte Jäckel seine Kenntnis um das Grauen der Nazi-Zeit, um seine Zeitgenossen aus der Geschichte lernen zu lassen. Als streitbarer Gast in TV-Diskussionen nahm er immer wieder Stellung zu Fragen des «Holokaust» - wohlgemerkt mit «k» geschrieben: «Man darf doch ein so zentrales Ereignis der deutschen Geschichte nicht auf Englisch beschreiben», sagt Jäckel.
Der Historiker hat seinen ganz besonderen Teil dazu beigetragen, dass die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis nicht verdrängt wird. Beutekunst, Zwangsarbeiter-Entschädigung, Historikerstreit - Jäckel ist stets kompetenter und gern gesehener Gast in den Medien. An der Seite der Journalistin Lea Rosh kämpfte er über Jahre letztlich erfolgreich für das Berliner Holocaust-Mahnmal, nicht immer ohne Gram: «Inzwischen überwiegt die Befriedigung - aber die Vorgeschichte war lang, zum Teil schwer und auch ärgerlich», erinnert er sich.
16 Jahre alt war er bei Kriegsende - und er habe wissen wollen, wie es zu alldem hatte kommen konnte, beschreibt Jäckel heute seine persönliche Initialzündung. Der Ingenieurssohn aus Wesermünde studierte an den Universitäten von Göttingen und Tübingen, Gainesville (Florida) und Paris. 1955 promovierte er in Freiburg, 1961 folgte in Kiel die Habilitation. Sechs Jahre später übernahm er eine Professor für Neuere Geschichte an der Uni Stuttgart - als Nachfolger von Golo Mann. In drei Jahrzehnten unter anderem als Direktor des Historischen Instituts machte er die Universität Stuttgart zu einem Zentrum für Zeitgeschichte.
Aktuell schreibt Jäckel zwar an einem Buch über die Geschichte der Badischen Revolution von 1849, das lange habe warten müssen. Doch sein wissenschaftliches Lebensthema, die NS-Zeit, lässt ihn nicht los. Zuletzt habe es viel Bestätigung seiner Thesen gegeben, sagt er. «Es tritt endlich in den Vordergrund, dass die wichtigsten Entscheidungen von Hitler selbst getroffen wurden. Das war von manchen lange angezweifelt worden.» Dem Wirbel um seinen runden Geburtstag versucht das SPD-Mitglied («Ich vertraue darauf, dass die Partei ihr aktuelles Tief überwindet.») durch einen Kurztrip an die Ostsee zu entgehen.
Internationale Beachtung fand vor allem seine Analyse «Hitlers Weltanschauung» bereits 1969. Anfang 1980 erschien seine gewichtige Quellensammlung «Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905-1924». Allerdings musste Jäckel da erkennen, dass die Geschichtsforschung nicht unfehlbar ist: In seine Sammlung gerieten Texte aus der Fälscherwerkstatt des später als Hitler-Tagebuchautor bekanntgewordenen Konrad Kujau. Nach dem Erscheinen der angeblichen Hitler-Tagebücher 1983 im «Stern» gehörte Jäckel dann zu den ersten Fachleuten, die die Authentizität der vermeintlichen Sensation in Frage stellten. Gemeinsam mit Peter Longerich und Julius Schoeps gab Jäckel zudem die «Enzyklopädie des Holocaust» (1993) heraus, die heute als Standardwerk für Neuhistoriker gilt.