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Historisches Familiendrama Historisches Familiendrama: Kinostart 03. Juli: «Babij Jar - Das vergessene Verbrechen»

Von Kerstin Nacken 29.06.2003, 15:52
Das am 06.09.2001 von der Artur-Brauner-Filmproduktion in Berlin veröffentlichte Foto zeigt Michael Degen im August 2001 bei Dreharbeiten zu dem Film "Babij Jahr" nahe Minsk. Der rund 3,7 Millionen Euro teure Streifen erzählt die Geschichte des Massakers, das SS und Wehrmacht 1941 an über 33000 ukrainischen Juden in der Nähe von Kiew verübten. Im Mittelpunkt des durchgängig schwarz-weiß gedrehten Film-Dramas stehen die durch eine Liebesgeschichte verknüpften Schicksale einer jüdischen und einer ukrainischen Familie. (Foto: dpa)
Das am 06.09.2001 von der Artur-Brauner-Filmproduktion in Berlin veröffentlichte Foto zeigt Michael Degen im August 2001 bei Dreharbeiten zu dem Film "Babij Jahr" nahe Minsk. Der rund 3,7 Millionen Euro teure Streifen erzählt die Geschichte des Massakers, das SS und Wehrmacht 1941 an über 33000 ukrainischen Juden in der Nähe von Kiew verübten. Im Mittelpunkt des durchgängig schwarz-weiß gedrehten Film-Dramas stehen die durch eine Liebesgeschichte verknüpften Schicksale einer jüdischen und einer ukrainischen Familie. (Foto: dpa) Brauner-Produktion

Hamburg/dpa. - Der Film erzählt die Geschichte von zwei Familien. Zwanzig Jahrelang lebten die Onufrienkos und ihre jüdischen Nachbarn, die Lerners,Tür an Tür - bis die Deutschen kamen. Familienoberhaupt GrenadijLerner (Michael Degen) hält die haarsträubenden Berichte von Nazi-Untaten zunächst für Propaganda. Doch als er sieht, wie Juden in denStraßen Kiews lebendig verbrannt werden und die Deutschen dieUmsiedlung der verbliebenen vorbereiten, beschließt Grenadij, seineFamilie in Sicherheit zu bringen - mit Hilfe des NachbarsjungenStepan Onufrienko (Gleb Porschnew).

Dessen Mutter Lena (Katrin Saß), einst die engste Vertraute derLerners, entdeckt für sich inzwischen die scheinbar rationale Seitedes Antisemitismus: Gier. Wenn die Nachbarn endlich weg sind, sohofft sie, kann ihre frisch verlobte Tochter samt Anhang nebenaneinziehen. Lena verrät die Lerners. Nicht ahnend, dass ihr Sohn dieFlüchtlinge begleitet.

Angst und Ideologie, Widerstand und Verrat, Freundschaft und Hass- alles unter einem Dach. Die Doppelhaushälften der Onufrienkos undLerners sind ein Mikrokosmos, der den Schrecken dieser Tage zu fassenversucht. Produzenten Artur Brauner verlor selbst Verwandte in BabijJar. «Wenn ich an Babij Jar denke, sehe ich immer diese Gesichter,die ich größtenteils nur aus Fotos kenne», sagt der 84-jährigeErfolgsproduzent. Er wolle den Opfern Gesichter geben und dieErinnerung an sie wach halten. In den Schwarz-Weiß-Film sind sparsamOriginalbilder gewebt.

Regisseur Jeff Kanew, der mit der TV-Serie «Ally McBeal» (1999)und der Detektiv-Komödie «V.I. Warshawski» (1991) bisher eher leichteKost in Szene setzte, wollte mit «Babij Jar» offenbar eine Fragebeantworten: Was passiert mit ganz normalen Menschen in einerwahnsinnigen Welt? Doch trotz der engagierten Schauspieler wirken dieBeziehungen zwischen den Hauptfiguren etwas konstruiert: MutterOnufrienko mutiert innerhalb von wenigen Tagen zur Denunziantin, ihrSohn ist ein Widerstandskämpfer aus Liebe, die Tochter übertriebenunpolitisch.

Kanews Bildsprache ist häufig geradezu aufdringlich: Eine Krähehockt auf dem Zaun der Todgeweihten, ein Gewitter zieht auf,Grabsteine säumen den Wegesrand. Und das Drehbuch bringt dieDarsteller zu pathetisch-banalen Sätzen wie: «In Zeiten wie dieserkann uns keiner die Liebe stehlen.» Oder: «Was ist das für eine Welt,in der Hass stärker ist als Liebe.»

Die Schlucht von Babij Jar ist ideal für die Zwecke der Nazis. Einabgelegenes, enges Tal mit Bahnanbindung. Der Zuschauer sieht mit an,wie Oberst Biobel alias Axel Milberg seine perfiden Pläne schmiedet -immer den Schein der Zivilisiertheit wahrend, auf der Suche nach dem«eleganten Weg, lautlos und ohne Panik», dabei selbst kurz vor derLeberzirrhose. Zu Walzerklängen errichten seine SchergenStacheldrahtpferche, heben Gräben aus und proben den Spießrutenlaufihrer Opfer. «Tempo, Tempo, Tempo! Niemand darf zum Nachdenkenkommen. Ihre Leute nicht, die Juden nicht.»

Als sich nach dem Massaker ein deutscher Soldat taumelnd vorEntsetzen erschießt, ist das für den Zuschauer fast eineErleichterung. Wenigstens einer der Täter hat das Ausmaß desVerbrechens begriffen. Sein Kamerad meldet dem Oberst unterdessen denAbschluss der Operation und fragt: «Waren das alle Juden für heute?»