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Henry van de Velde Henry van de Velde: "Ich will Form Harmonie und Linie"

Von antje lauschner 03.04.2013, 18:48
Erfolg in Mitteldeutschland: Designer Van de Velde (1863-1957)
Erfolg in Mitteldeutschland: Designer Van de Velde (1863-1957) dpa Lizenz

weimar/dpa - „Die Linie ist eine Kraft.“ Dieser Satz des flämisch-belgischen „Allrounders“ Henry van de Velde steht für ein Programm. Heute vor 150 Jahren in Antwerpen geboren, hatte der junge Maler bald genug von den dunklen herrschaftlichen Räumen und schweren Möbeln seiner Umgebung. Er ließ sich inspirieren von neuartigen englischen Möbeln und farbenfrohen asiatischen Gebrauchsgegenständen.

Der Wechsel von der Malerei zum Kunsthandwerk und Design veränderte nicht nur sein Leben radikal, sein „Neuer Stil“ setzte in Europa und darüber hinaus Maßstäbe. Er selbst hat sich nie als Jugendstilkünstler gesehen. Seine Intention war das Gesamtkunstwerk, in dem jedes künstlerische Detail mit seinem Umfeld harmoniert. Bis zu Möbeln, Tapeten, Geschirr und den Kleidern stimmte Van de Velde Haus-Entwürfe in Form und Farben aufeinander ab. „Ich will Kunst, will Form, Harmonie, Linie. Staub ist mir ganz egal“, erklärte der Universal-Designer.

Die kleine Residenzstadt Weimar sollte eine erneute Wende bringen: Hier hatte der „Alleskünstler“ seine produktivsten Jahre. „Van de Velde ist die große europäische Figur, die hier 15 Jahre lang in Mitteldeutschland gewirkt hat“, sagt Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung, die einen umfangreichen Fundus von Arbeiten und Entwürfen des Belgiers besitzt. Mit dem 1902 gegründeten Kunstgewerblichen Seminar gelang es ihm, Kunst, Industrie und Handwerk in Praxis und Theorie zu vereinen. Zahlreiche Häuser, von seinem eigenen Wohnhaus „Hohe Pappeln“ und dem Nietzsche-Archiv bis zum heutigen Hauptgebäude der Bauhaus-Universität sind Stein gewordene Zeugnisse seiner Ideen.

In Gera kündet das Haus Schulenburg und in Chemnitz das Wohnhaus Esche von seinem Wirken in Mitteldeutschland. „Van de Velde wurde damit zu einem Wegbereiter der Moderne und des Weimarer Bauhauses“, würdigt Thüringens Kulturminister Christoph Matschie (SPD) den Jubilar. Deutschland und Weimar sollten aber auch für düstere Tage im Leben Van de Veldes und seiner Familie stehen. Als Belgier war er während des Ersten Weltkrieges für die Deutschen ein „feindlicher Ausländer“, für die Belgier, die von der kaiserlichen deutschen Armee überrannt wurden, hatte er den Ruf eines Kollaborateurs. 1917 verlässt Van de Velde Deutschland, nicht ohne zuvor den Architekten Walter Gropius als seinen Nachfolger in Weimar empfohlen zu haben. In seinen Memoiren, geschrieben in seinen letzten Lebensjahren in der Schweiz, blickt Van de Velde auch verbittert auf die Weimarer Kriegszeit zurück: „Ich schauderte vor dem Gefühl völliger Verlassenheit, vor apokalyptischen Visionen, vor der Gefahr des Wahnsinns“, zitiert die Autorin Ursula Muscheler in ihrem Buch „Möbel, Kunst und feine Nerven“ Van de Velde. Nach Stationen in der Schweiz, kehrte er 1926 nach Brüssel zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg wegen seiner Tätigkeit unter deutscher Besatzung in Belgien angefeindet, zog er 1947 erneut in die Schweiz und starb 1957 in Zürich.

Velde-Schau im Neuen Museum Weimar: bis 23. Juni, Di-So 10-18 Uhr