Harzer Nacht wird zum Tag Harzer Nacht wird zum Tag: Ingo Panse setzt Landschaft mit Lightpainting in Szene

Halle (Saale) - Der Felsdurchbruch heißt zwar Kuhstall, sieht aber aus wie das Tor in eine andere Dimension. Das liegt an der künstlichen Beleuchtung der bei Nacht fotografierten Örtlichkeit an der Teufelsmauer im Harz. Lightpainting heißt diese Art der Fotografie, die Ingo Panse seit 1998 mit Passion betreibt. Bei der „Lichtmalerei“ werden die Motive zwar bei Dunkelheit, aber unter Einsatz starker Lampen aufs Bild gebannt.
Der damit erzielte Effekt ist überwältigend: Da wird der Harz zu einer Bühne, auf dem das Stück der Natur als Gesamtkunstwerk aufgeführt wird. Das zeigte Panse bereits vor zwei Jahren, als der nachtaktive Fotograf den Bildband „Mystischer Harz – Verzaubert und geheimnisvoll“ vorlegte. Nun folgt mit dem Buch „Geheimnisvoller Harz – Im Zauber der Nacht“ der zweite Teil. „Die Fotos und Geschichten sollen keine kommerziellen Angebote beleuchten, sondern einfach das Interesse am Mystischen, die Neugier am Geheimnisvollen wecken“, heißt es im Vorwort.
Hinkelsteine und Baumriesen
Es sind bizarre Felsformationen, Burgen und Ruinen, im Harz allesamt reich an Zahl, die Panse mit Hilfe von Halogenstrahlern und LED-Taschenlampen sowie minutenlangen Belichtungszeiten ins Licht rückt: Schnarcherklippen und Galgenberg hier, Elendsburg und Sachsenburg dort.
Ebenso hält der Lichtbildner, der nach eigener Auskunft seine Kunst zelebriert, die vor vielen Jahrtausenden errichtete Menhire – also für kultische Zwecke verwendete Langsteine – fest: den „Speckseite“ genannten Monolithen bei Aschersleben und den von Benzingerode, der mit oberirdisch gemessenen 3,85 Metern der größte Hinkelstein in Norddeutschland ist.
Mit der Brandbergeiche bei Molmerswende und der Schäfereiche bei Bad Suderode recken auf Panses Fotos auch zwei Bäume ihre knorrigen Äste in Sachsen-Anhalts Nachthimmel, die seit mehr als fünf Jahrhunderten die Jahreszeiten kommen und gehen sehen. Ausladende Baumriesen wie diese dienten unseren Vorfahren als Ort religiöser Handlungen und auch als Platz für Versammlungen und Gerichtsverhandlungen.
Ob Fels oder Berg, Burg oder Baum, zu fast jedem Motiv ist eine Sage zu berichten. Die erzählt Autor Bernd Sternal in den Begleittexten. Etwas ausführlicher wird die Geschichte des Zisterzienserklosters in Walkenried erläutert. Von diesem gingen 18 Tochtergründungen aus, so etwa das Kloster Pforte bei Naumburg. Von Walkenrieds einstiger Größe künden heute aber nur noch ein paar pittoreske Reste.
Ebenso spannend ist die Geschichte des Questenbergs oberhalb des gleichnamigen Dorfes im Südharz, wo sich mit der Queste und dem Questenfest eine Tradition erhalten hat, die in heidnische Vorzeit zurückreicht. „An einem hohen Baumstamm“, so erläutert Sternal die Queste, „wird ein großer Kranz aus Birken- und Buchenzweigen befestigt. Mittig durchragt den Kranz ein langer Ast, an dessen beiden Enden jeweils ein grünes Reisigbündel befestigt ist, die sogenannte Quaste.“ Herkunft und Bedeutung des Symbols sind bis heute, trotz aller Hypothesen, unklar.
Der Alte vom Berge
Da die Queste das ganze Jahr über dem Dorf Questenberg thront, vermutet die Forschung, dass es eine Art Schutzheiligtum war. Damit verbunden ist die Möglichkeit, dass es sich um eine frühgermanische Kultstätte gehandelt haben könnte.
Neben dem Bode- ist das Ockertal das bekannteste Harzer Flusstal. Auch entlang der Ocker sind einige Entdeckungen zu machen. So etwa der Alte vom Berge, eine Felsklippe, die in ihrer Form an die Physiognomie eines Riesen erinnert, der scheinbar als Wächter über dem Tal thront.
Der eingangs erwähnte Kuhstall an der Teufelsmauer wurde künstlich angelegt. Sehr wahrscheinlich hat das tunnelartige Gebilde der Besatzung der einstmals benachbarten Kuxburg, deren Überreste hier ebenfalls beleuchtet werden, als Unterstand für Pferde und Vieh gedient.
Passend zur Veröffentlichung ist in der Alten Kirche von Bad Suderode noch bis zum 31. August (dienstags und donnerstags 15 bis 17 Uhr) Panses Ausstellung „Mystischer Harz“ zu sehen.
››Ingo Panse/Bernd Sternal: „Geheimnisvoller Harz“, Mitteldeutscher Verlag, 96 S., 16,95 Euro
(mz)
