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Hartmanns Faust-Marathon am Burgtheater bejubelt

Von Miriam Bandar 13.09.2009, 11:35

Wien/dpa. - Da brodelt und zischt es in der Hexenküche, in einer Kiste grölen Studenten, in einem weißen Kubus stöhnen Feiernde. Mit einem geballten, plakativen Faust hat der neue deutsche Chef des Wiener Burgtheaters, Matthias Hartmann, einen gelungenen Einstand an der Renommierbühne gefeiert.

Sein persönlich inszenierter rund siebenstündiger Theatermarathon von Goethes «Faust - Der Tragödie erster und zweiter Teil» wurde vom Publikum lautstark gefeiert und mit «Bravo-Rufen» bedacht. Einen großen Anteil daran hatten die durchweg überzeugenden Schauspieler. Allen voran im ersten Teil Gert Voss als Mephisto und Tobias Moretti als Faust.

Mit einem Faust als Mammut-Projekt zum Einstand mache er es sich nicht leicht und biete viel Angriffsfläche, hatte Hartmann im Vorfeld in Interviews gesagt. Fast jeder große Regisseur hatte sich bisher an der Geschichte um den zweifelnden Gelehrten zwischen Gott und Teufel versucht. Inszenierungen wie die von Gustaf Gründgens aus den 50er Jahren oder Peter Steins 21-Stunden-Faust zur Expo in Hannover wurden legendär.

Hartmanns Faust überzeugte eher als Teamprojekt denn als dramaturgische Einzelleistung: Mit starken Schauspielern, einem stimmigen Bühnenbild-Konzept (Volker Hintermeier) und eingängigen Bildern hatte der neue Burgherr gleich mehrere Sicherheitsnetze aufgespannt. Ein recht konventionell inszenierter, ganz auf die Darsteller zugeschnittener Faust I gefolgt von einem modernen Faust II mit anderen Schauspielern, viel Videoprojektion und Livemusik bediente jeden Theatergeschmack.

Das sanfte Spiel mit Andeutungen ist nicht Hartmanns Stil, er bringt Goethe prall im Leben und plakativ auf die Bühne. Gott thront über einem meterhohen Stoffbanner mit dem Schriftzug «Himmel», flankiert von zwei schaukelnden Engeln. Der vom Zweifel an der Wissenschaft getriebene Faust zertrümmert erst frustriert seinen Laptop - «Da steh' ich nun ich armer Tor ...» -, wirft ihn in den Häcksler und wird dann fast von einer vom Himmel fallenden Ladung Elektroschrott gemischt mit Büchern erschlagen. Gretchen kommt in ihr Zimmer, zieht sich erst mal aus und räkelt sich unschuldig-lasziv. Im zweiten Teil wird dann noch als komödiantisches Zwischenspiel die Wirtschaftskrise abgehandelt.

Immer wiederkehrendes Motiv sind Quadrate und Kisten: Die Bühne wird von einer viereckigen, je nach Schauplatz die Farbe wechselnden Neonröhre eingerahmt. Große Teile der Handlung spielen sich in einem meterhohen Kubus ab, den Faust wie eine Zauberkiste öffnen und schließen kann. Dort tanzt das Volk beim Osterspaziergang, die Studenten saufen und prügeln in einer Holzbar. Bei der Walpurgisnacht winden sich in einem Kubus schemenhaft Körper, die sich zu rhythmischem Techno-Gewummer gegen die weißen Stoffwände drücken. Mit einem lauten Furz wird Faust aus einem kleinen Loch in der Bespannung dort verschmiert herausgedrückt. Am Ende des ersten Teils erschlägt Gretchen nach ihrem «Heinrich, mir graut's vor dir» ein riesiger Steinquader.

Als clownhaft-gemeiner Mephisto schlurft Gert Voss schwarz gewandet und mit «Magic»-Bomberjacke durch Hölle, Welt und Himmel. Sein schon etwas kurzatmiger Teufel in alternder Playboy-Manier wirkt vom getriebenen Faust manchmal leicht überfordert und muss am Energy- Drink nuckeln. Tobias Moretti gibt einen eher weichen, leicht orientierungslosen Gelehrten, der viel will aber von der Verantwortung der Welt und seiner eigenen Taten ständig überfordert ist.

Katharina Lorenz ist ein frech-lebendiges Gretchen mit viel süßem Sexappeal, das trotz aller Frauenpower nicht gegen die gesellschaftlichen Konventionen ankommt. Verliebt in Faust rauft sie sich zu «Meine Ruh' ist hin, mein Herz ist schwer ...» schreiend die Haare, am Ende im Kerker prügelt sie im Wahn auf ihren treulosen Geliebten ein. Als drall-einfältige Nachbarin Marthe hat Maria Happel viele Lacher und die Gunst des Publikums auf ihrer Seite.

Im Vergleich zum rund vierstündigen Faust I weist das rund zweistündige Faust-II-Projekt deutlich mehr Längen auf. Hartmann zeigt das schwierig auf die Bühne zu bringende Stück mit verworrener Handlung als fantastisch-komisches Videoprojekt auf vier quadratischen Leinwänden und mit mehreren Ebenen. Kameraleute auf der Bühne und die Schauspieler setzen mit Hilfsmitteln wie allerlei Kostümen und kleinen Plastikfiguren von Gebirgszügen bis zum kaiserlichen Hof Bruchstücke der Handlung in Szene. Am Ende flattern Rosenblätter von der Bühne, Engel schwenken ihre riesigen Flügel und Faust kommt mit viel Rauch und Pomp nach sieben Stunden endlich in den Himmel.