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"Hart aber fair" zu Germanwings-Flug 4U9525 "Hart aber fair" zu Germanwings-Flug 4U9525: "Depressive Menschen begehen solche Taten nicht"

Von Peter Berger 30.03.2015, 21:31
Frank Plasberg
Frank Plasberg WDR/Klaus Görgen Lizenz

Am Ende von 75 Minuten „Hart aber fair“ sind alle genauso schlau wie vorher.

Dass sich von Menschen herbeigeführte Katastrophen wie der Absturz der Germanwings-Maschine vor einer Woche über den südfranzösischen Alpen nicht verhindern lassen, dass jeder noch so ausgeklügelte Psycho-Test von Piloten keine hundertprozentige Garantie geben kann. Und dass auch die viel diskutierte Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht eher kontraproduktiv wäre. Weil kein Pilot sich aus schierer Existenzangst dann keinem Arzt mehr offenbar würde.

Er fliege lieber mit einem Piloten, der wegen psychischer Probleme in Behandlung sei als mit einem, der sie verheimlicht habe. Das ist eine klare Aussage – und es folgt die Klage: „Wir machen doch immer nur Vergangenheitsbewältigung“, sagt der Chemiker und Mediziner Florian Holsboer. „Dabei müssen wir die Stigmatisierung dieser Krankheit abbauen.“

„Diese Krankheit“

Mit „dieser Krankheit“ ist die Depression gemeint, von der sich im Grunde aber alle einig sind, dass sie im Falle der Wahnsinnstat des Germanwings-Piloten Andreas L. wohl gar keine Rolle gespielt hat. Depressive Menschen begingen solche Taten nicht, sagt Holsboer und keiner widerspricht. Der Pilot habe wohl eher unter Wahnvorstellungen gelitten oder in Weltuntergangsstimmung gehandelt. Für einen Amoklauf fehle die Psycho-Pathologie.

Aber was war es dann für eine Tat? Den Begriff des erweiterten Selbstmords will Rechtsanwalt Christoph Wellens vom Opferverein „Crash“, der sich nach der Concorde-Katastrophe von Paris gegründet hat, nicht akzeptieren. Man habe es hier mit einem Verbrechen zu tun.

Also was tun? Aufräumen mit Vorurteilen, dass depressive Menschen ihr Leben lang potenzielle Selbstmörder seien, die im Zweifel andere mit in den Tod reißen. Diese Erkenntnis dürfte sich längst durchgesetzt haben. Viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass sich der Verlauf psychischer Erkrankungen nur schwer voraussehen lässt. Im Gegensatz zu Krebs oder Diabetes, wie Holsboer betont.

Lufthansa-Piloten unter besonders hohem Druck

Im Umgang mit der Depression, die sich immer mehr zu einer Volkskrankheit zu entwickeln scheint, ist noch vieles verbesserungsbedürftig. Gerade auch bei Piloten, bei denen der Verlust der Lizenz häufig sofort das Ende ihrer Karriere bedeutet. Das Problem sei, dass gerade die Lufthansa-Piloten, die als die besten der Welt gelten, enorm unter Druck stünden, sagt der Luftfahrt-Psychologe Raphael Diepgen von der Ruhr-Universität Bochum. „In so einer Elite-Truppe mit einer derartigen Organisationsstruktur mit Depressionen umzugehen, fällt natürlich sehr schwer.“

Bleibt also nur das Vertrauen darauf, dass schon alles gut gehen wird. Was in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle ja auch der Fall ist. Die psychische Erkrankung des Andreas L. war offenbar eben doch nicht zu erkennen – weil er sie selbst nicht preisgegeben hat. Ob sie überhaupt der Auslöser für seine Tat war, werden wir wohl nie erfahren.

Dafür aber, dass Frank Plasberg trotz allem heute ganz beruhigt in Urlaub fliegen wird. Immerhin etwas.