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"Hart aber fair" und Lebensmittel-Check "Hart aber fair" und Lebensmittel-Check: Beim Fleisch schlägt Sonderangebot das Gewissen

Von Willi Feldgen 08.12.2015, 06:21
Schweinemastanlage in Thüringen
Schweinemastanlage in Thüringen dpa Lizenz

TV-Koch Tim Mälzer beklagte im "Lebensmittel-Check" und anschließend bei "Hart aber fair" , dass dem Verbraucher durch eine optisch ansprechende Gestaltung der Fleisch-Verpackungen und phantasievollen "Guts"- und "Hof"-Bezeichnungen im Supermarkt eine artgerechte Haltung der Tiere vorgegaukelt werde. Tatsächlich gibt es diese Höfe nämlich gar nicht. Das - so waren sich alle Mitdiskutanten einig - ist zwar legal, vermittelt aber ein unzutreffendes Bild von der Branche und der tatsächlichen Tierhaltung.

Der allergrößte Teil des in Deutschland verkauften Fleisches stammt aus umstrittener Massentierhaltung. In seiner Doku fällte Mälzer ein vernichtendes Urteil: Konventionelles Fleisch schmecke - zumal im Vergleich mit Bio-Ware - "widerlich" und "wie Scheiße - wirklich". Solche harten Urteile fielen in Plasbergs Sendung nicht. Das war bei Gästen wie Bundesgesundheitsminister Christian Schmidt (CSU), der Fleischereimeisterin und Geschäftsführerin eines Wurstherstellers, Sabine Dhem, sowie dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Handelsverbands, Stefan Genth, allerdings auch nicht zu erwarten.

Warnhinweis auf Verpackungen?

"Billigfleisch fördert Massentierhaltung": Stimmt das und sollte man diesen Slogan - wie einen Warnhinweis auf der Zigarettenschachtel - auch auf die Fleisch-Verpackungen drucken? Plasberg bemühte sich, die Teilnehmer der Diskussionsrunde mit diesem Vorschlag zu provozieren - vergeblich allerdings. "Wir sollten die Teller nicht mit Gesetzen vollpacken", meinte der Minister. "Essen ist in Deutschland nicht lebensgefährlich", stellte der Handelsvertreter fest.

Und die Vertreterin der Industrie meinte: "Nur, weil einer viele Schweine im Stall hat, werden die doch nicht schlechter behandelt". Konventionelle Tierhaltung sei grundsätzlich gut, niemand müsse dabei "ein schlechtes Gewissen haben". Das Wort "Massentierhaltung" sei zu einem Kampfbegriff geworden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Gesundheitsminister Schmidt romantische Vorstellungen kritisiert.

Mälzer und die Journalistin Tanja Busse streuten aber wieder Salz in die Wunde: Verbraucher würden über Herkunft und Haltung der Schlachttiere in Deutschland nicht ausreichend informiert. Selbst für ihn als Profi sei der Durchblick oft schwierig, kritisierte Mälzer: "Ich bin im Supermarkt überfordert".

Und Busse wollte wissen, warum nicht auch für Fleisch Kennzeichnungen wie für Eier eingeführt würden - dies habe immerhin dazu geführt, dass Eier der Güteklasse 3 (Käfighaltung) aus dem Angebot großer Lebensmittelhändler weitgehend verschwunden seien.

Fleisch aus der Region für alle ist unrealistisch

Spott erntete sie für ihren Hinweis, Verbraucher sollten Fleisch aus der Region zu kaufen und sich bei den entsprechenden Erzeugern gegebenenfalls auch persönlich informieren: "Drei Millionen Berliner können Sie nicht jedes Wochenende zum Fleischeinkauf aufs Land schicken", konterte Genth. Und Schmidt stellte fest: "2050 müssen auf der Welt neun Milliarden Menschen ernährt werden." Das sei schwierig genug und mit romantischen Vorstellungen traditioneller Tierhaltung nicht zu schaffen.

Das Dilemma bei der Fleischproduktion besteht darin, dass die Konsumenten zwar einerseits eine artgerechte Tierhaltung begrüßen würden, darauf beim Fleisch-Einkauf selbst aber kaum Wert legen: "Sonderangebot schlägt Gewissen": das stellte Plasberg schon bei der Anmoderation fest. Bio-Fleisch, bei dem die Rinder zeitweise auch auf der Weide leben dürfen und gentechnikfrei gemästet werden, muss rund doppelt so teuer bezahlt werden wie konventionell produzierte Ware - doch , so Mälzer, der Unterschied lohnt sich.

Wer das selber ausprobieren will, aber insgesamt nicht mehr als bisher für Fleisch ausgeben will, muss ein einfaches Rezept befolgen: Den Fleisch-Konsum insgesamt halbieren. Das kann den Genuss erhöhen - und ist zudem gesünder.

Fleischkonsum schädigt langfristig das Weltklima.
Fleischkonsum schädigt langfristig das Weltklima.
dpa Lizenz