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Harry Belafonte Harry Belafonte: Der «King of Calypso» wird 85 Jahre alt

Von Uwe Käding 29.02.2012, 07:00
Der amerikanische Sänger Harry Belafonte (FOTO: DPA/ARCHIV)
Der amerikanische Sänger Harry Belafonte (FOTO: DPA/ARCHIV) dpa

Frankfurt/Main/dapd. - In Belafontes karibische Wohlfühl-Lieder wie«Island In The Sun» konnte das dem Zweiten Weltkrieg geradeentronnene Publikum seine Sehnsucht nach Sonne und Meer, nach einerwenigstens scheinbar heilen Welt projizieren. Von demselbenBedürfnis profitierte damals hierzulande Freddy Quinn. Aber derKünstler Belafonte, der am 1. März 85 Jahre alt wird, ist weit mehrals ein pophistorisches Phänomen: Sein Lebenswerk steht für einenbeharrlichen Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Frieden.

Vor fünf Jahren - kurz vor seinem 80. Geburtstag - verkündeteBelafonte seinen Abschied von der Bühne, die er in allen Rollen alsSänger und Schauspieler so souverän beherrschte. Der immerfreundliche Belafonte, am 1. März 1927 als Sohn karibischerEinwanderer in New York geboren, hatte sich über den Zenit seinerkünstlerischen Karriere hinaus weltweiten Respekt als Bürgerrechtlerund UNICEF-Botschafter erworben. Belafonte nutzte schon sehr frühbewusst seine Popularität, um für Freiheit und Gerechtigkeiteinzutreten - sei es in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung fürdie Gleichberechtigung der Schwarzen in den 60er Jahren oder für dieHungernden in Afrika in den 80ern.

Sein 1956 veröffentlichtes Album «Calypso» war in den USA daserste, von dem mehr als eine Million Exemplare verkauft wurden.Hollywood verpasste seinen wehmütigen Hymnen - darunter Songs überSchwerstarbeit wie «Banana Boat Song» - jenes karibischeTrauminsel-Image, das «Jamaica Farewell» und «Island In The Sun» bisheute vermitteln. Seinen Durchbruch als Schauspieler feierte er inOtto Premingers Film «Carmen Jones» 1954, einer musicalartigenAdaption von Georges Bizets Oper Carmen, mit einem Boxer statt desMatadors als männlicher Hauptfigur und Carmen alsFließbandarbeiterin in einer Fallschirmfabrik. Die Hauptrolle inPremingers 1959 erschienenen Film «Porgy und Bess» lehnte er wegenrassischer Stereotype ab. Zuvor feierte er mit dem Streifen «IslandIn The Sun» («Heiße Erde») 1957 einen großen Erfolg.

Doch die Sonnenschein-Idylle trog, und Belafonte engagierte sichgegen eine Realität, in der ihm einerseits als Sänger die Herzenzuflogen und gleichzeitig als Schwarzem im Süden der USA verbotenwar, bestimmte Plätze im Bus oder öffentliche Toiletten zu benutzen.Schlagersängerin Petula Clark machte 1968 unabsichtlichUS-Fernsehgeschichte, als sie bei einem Duett mit ihrer HandBelafontes Arm berührte: Das war damals wirklich ein Skandal.

Suche nach der Identität

Belafonte gründete 1957 in Florida eine Klinik, in der Kinder ausarmen Familien kostenlos behandelt werden. «Meine Berühmtheitverpflichtet mich, für soziale Gerechtigkeit und, viel wichtiger,für den Frieden zu kämpfen», erklärte er schon damals. SeinEngagement für das Projekt «We Are the World» zugunsten derHungernden in Afrika brachte ihm 1985 einen Grammy ein, sein Kampfgegen Rassendiskriminierung und für Frieden 1990 den Mandela-Preisfür Zivilcourage.

Und «nebenbei» machte sich Belafonte um das Erbe schwarzer Musikverdient. Er brachte 1957 seine damalige Plattenfirma RCA dazu, eineeinmalige Sammlung von Tondokumenten von Stammesgesängenafrikanischer Klans bis zum Blues schwarzer Amerikaner zufinanzieren. Diese wurden zum Teil neu eingespielt, weil dieOriginale eine zu schlechte Tonqualität hatten. Das Ergebnis wurdeerst in diesem Jahrhundert veröffentlicht und ist einmusikhistorisches Dokument: «The Long Road To Freedom».

«Als meine Karriere nach oben ging, fragte ich nicht, wie ichnoch mehr Geld anhäufen kann», sagte er 2001 im AP-Interview zuseiner Spurensuche. Stattdessen: «Warum bin ich der, der ich bin?Warum hatten es alle vor uns so schwer, und warum ist das immer nochso? Warum wir? - Das Rätsel wird uns immer plagen.» Aber in derschwarzen Musik, fügte er hinzu, liege der Schlüssel verborgen.

Belafonte musste auch Konflikte aushalten. Nach der ErmordungMartin Luther Kings 1968 radikalisierte sich die Schwarzenbewegung;Soulsänger James Brown beschimpfte Belafonte 1968 als «Vorzeigenegervon Hollywood». Belafonte reagierte darauf in einemZeitungsinterview so: «Ich identifiziere mich unverändert mit meinenschwarzen Brüdern. Ich bin kein Rock'n'Roll-Sänger, aber ichinterpretiere Songs mit tiefen Wurzeln afrikanischer, amerikanischerund karibischer Negermusik.»

Erste Plattenaufnahme Dylans auf «Midnight Special»

Belafonte bahnte einigen anderen Künstlern den Weg zum Erfolg: Inden 60er Jahren stellte er Miriam Makeba und Nana Mouskouri demamerikanischen Publikum vor. Und auf seiner LP «Midnight Special»befindet sich 1962 die erste Aufnahme eines bis dahin unbekanntenMundharmonikaspielers: Bob Dylan.

Belafonte berichtet über seinen Einsatz für andere gerne in einerhumorvollen Distanz. 1999 traf er sich bei einem Besuch in Kuba mitRap-Musikern, bevor er vom damaligen Staatschef Fidel Castroempfangen wurde. In einem Interview erzählte er 2003: «Als ich einpaar Jahre später Havanna besuchte, kamen Leute der Hip-Hop-Gemeindezu mir und bedankten sich vielmals. Ich fragte: 'Wofür?' und siesagten: 'Deine kleine Unterhaltung mit Fidel und dem Kulturministerhatte zur Folge, dass eine eigene (Hip-Hop-) Abteilung in demMinisterium geschaffen wurde und wir unser eigenes Studio bekamen.»

So sollte man Belafonte in Erinnerung behalten: Als sympathischenKünstler und Zeitzeugen, der Geschichte wie kaum ein anderer inAnekdoten zu erzählen wusste.