Hannelore Elsner Hannelore Elsner: Duft von Meer und Gewitter
Halle/MZ. - Tatsächlich, sie ist eine Diva. In eleganten Schritten stolziert Hannelore Elsner, die viel umjubelte Schauspielerin, auf die Opernhausbühne in Halle. Ein hoher, mit rotem Samt bezogener Sessel steht bereit. Davor ein kleiner barocker Tisch, mehr braucht sie nicht. Während sie die gespannte Aufmerksamkeit des voll besetzten Saals auskostet, Verwunderung im Parkett und auf den Rängen: Eine blonde Elsner, das gab es noch nie!
Als die Frau im klassisch schwarzen Kostüm dann aber zu sprechen beginnt, wird klar: Das ist die echte Elsner. Mit bekannt sinnlich-warmer Stimme gibt sie die ersten Zeilen des Süskind-Klassikers "Das Parfum - Geschichte eines Mörders" zum Besten. Frankreich, im 18. Jahrhundert. Jean-Baptiste Grenouille, ein unangenehmer Kauz, ist besessen von Gerüchen. Holz, Fisch, Menschenduft.
Hannelore Elsner lässt auch die für die Vorstellungskraft widerwärtigsten Beschreibungen Süskinds nicht aus. Dem Publikum gruselt es, als die Schauspielerin von dem stinkenden Geruchsgemenge der damaligen Zeit vorliest. Faulige Zähne, süßlich-stechender Schweißgeruch, Moder, ätzende Urin-Essenzen. Das flaue Gefühl im Magen kommt gewiss nicht nur von den ausgedehnten Textvorlagen, gefüttert mit ekelhaften Details. Auch Elsner weiß um ihre Wirkung - und kostet jede genüsslich gesetzte Sprechpause aus.
Die Gäste, unter ihnen überraschend auch Alfred Biolek, schaudern still schweigend. Kein Geräusch, das den Ausführungen der Elsner Konkurrenz machen könnte. Elsner, angestrahlt von einem goldenen Lichtkegel, dirigiert den Saal mit ihrer weichen, sympathischen Stimme. Und: Kein Sprecher sonst holt so sinnlich tief Luft nach einer langen Passage, wie die 61-jährige Diva.
Einzig einige gekonnt gesetzte Bildeinspielungen auf einer riesigen Leinwand unterbrechen, von Musik untermalt, immer wieder ihren ausdrucksstarken Redefluss. So entsteht die angekündigte "dramaturgisch gestaltete Lesung" nach einer Idee von Christian Reinisch. Die Aufmerksamkeit der Gäste ist der Schauspielerin trotz des Bilderwechsels sicher. "Lesungen sind eine Liebhaberei von mir", sagt Hannelore Elsner. Die Interaktion mit dem Publikum sei jedes Mal toll. Sie selbst hingegen gehe nicht so gern in Lesungen. Das versteht, wer sie außerhalb der Bühne erlebt hat. Denn Diven wollen nicht nur im Scheinwerferlicht im Mittelpunkt stehen, sondern sich auch sonst stets in der Bewunderung wiederfinden.
Die Elsner hat nach ihrer ohne Zweifel großartigen Lesung offensichtlich gar keine Lust auf Gespräche, zupft sich vor einem Spiegel lieber das für Dreharbeiten erblondete Haar zurecht. Ja, den Süskind möge sie sehr. Seine Sprache sei so reich. Und, das mit den Haaren, das war eine einzige Prozedur. Aber über ihr eigenes Parfüm, da sage sie nichts. Gut, den Duft von Meer und Gewitter liebe sie. Aber sonst? "Beeilen Sie sich bitte", heißt es bei solchen Anfragen.
Wer darauf beleidigt reagiert, erntet ein gnädiges Lächeln. Schließlich hallt er wohl immer noch in ihren Ohren: der ausdauernde Applaus der Hallenser.