Händelfestspiele Händelfestspiele: Schlachtenbummler des Frühbarock
Bad Lauchstädt/MZ/ahi. - Wenn man diese "Semi-Opera" auch noch einem englischen Regisseur wie Colin Blumenau anvertraut, der damit ein historisches Theater in Bury St. Edmonds nach aufwändiger Sanierung wieder eröffnen will, darf man sich auf eine Apotheose der Britannia gefasst machen. Und genau das wurde in Bad Lauchstädt geboten - inklusive des Beweises, dass der gemeine Sachse nicht immer "caro", sondern gelegentlich auch "crudel" sein kann.
Was John Dryden in dieser Mischung aus Schauspiel und Musiktheater angelegt hat, ist in seiner Tendenz so unglaublich isolatorisch und chauvinistisch, dass man darüber nur lachen kann. Der böse Oswald hat nicht nur den schlimmen Zauberer Osmond, sondern auch den miesen Gnom Grimbald im Schlepptau. Der edle Arthur hingegen wird vom weisen Merlin und dem guten Geist Philidel begleitet. Des weiteren treten auf: Er und Sie, der Genius der Kälte, Schäfer und Sirenen, Aeolus und Cupido sowie die nationale Übermutter höchstpersönlich - eine allegorische Materialschlacht, in der man nach mentaler Mitte suchen muss.
Die findet sich in Purcells frappierend vielfarbiger, oft erschütternd moderner Musik sowie in einem Menschenkind. Emmeline, das blinde Mädchen, spricht wunderschöne Sätze, wenn sie etwa der Trompete ein "angry fighting face" bescheinigt oder ihrem Geliebten ein Antlitz aus schwarzem Gold erträumt. Laura Cameron spielt diese junge Frau mit einem entwaffnend ziellosen Lächeln, für das jeder Mann in den Kampf ziehen würde.
Um sie kreist der Kosmos aus Sängern und Schauspielern, die sich zudem gemeinsam in der Tradition des Moriskentanzes versuchen. Unfair wäre es, aus der Fülle der kongenialen Interpreten Einzelne hervorzuheben - wenngleich Nicki Kennedy und Jesse Inman als Luft- und Erdgeist, Clayton Nemrow und Tye Maurice Thomas als weltliche sowie Darren Robert Smith und Shaun Lawton als spirituelle Herrscher besondere Aufmerksamkeit beanspruchen. Doch auch Stefanie Wüst als strahlende Britannia, Gesine Nowakowski sowie Matthias Vieweg als Urbild aller Liebespaare, Alexandra Lachmann und Laura Cameron, Sean Clayton, Tobias Müller-Kopp und Oliver Uden verdienen sich Lob.
Und, ach!, die Lautten-Compagney! Unter Leitung von Wolfgang Katschner taumeln sie durch derbe Volkslieder, wuchten martialische Opfergesänge in den Raum und erstarren in schneidender Kälte. Hier findet sich all jene Pracht und Bildhaftigkeit, die man im funktionalen Zauberkästchen des Bühnenbildes und in der fast schon provokanten Kostüm-Verweigerung vergeblich sucht. Die Idee, den wechselnden Gestalten T-Shirts mit pittoresken bis putzigen Aufdrucken anzuziehen, gibt der professionellen Produktion jedenfalls den Charme einer Schultheaters. Aber vielleicht ist das ebenso britisch wie Springerstiefel. Frühbarocke Schlachtenbummler? Hool Britannia!