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Hamburger Ausstellung erinnert an die 68er

Von Mirja Pape 13.04.2008, 09:00

Hamburg/dpa. - «Unter den Talaren - Muff von 1000 Jahren» - Mit diesem Spruch auf einem schwarzen Banner schrieben Hamburger Studenten 1967 Geschichte.

Bei der Rektoratsübergabe an der Universität Hamburg am 9. November 1967 trugen sie es vor den in traditioneller Weise gekleideten Professoren vorweg. Das dabei entstandene Pressefoto wurde berühmt und der Text des Banners zu einem Kernsatz der 68er-Bewegung. Das Original-Banner ist vom 14. April bis zum 23. Mai Mittelpunkt einer Ausstellung im Staatsarchiv Hamburg über die 68er-Bewegung in der Hansestadt.

Der «Muff von 1000 Jahren» war nach Ansicht der aufbegehrenden Studenten und ihrer Sympathisanten nicht nur unter Talaren von Universitätsprofessoren zu finden, sondern in der gesamten Gesellschaft. Die Jugend revoltierte weltweit gegen die Obrigkeit, Altnazis, Männerherrschaft, den Staat und bestehende Werte. In Hamburg wurde gegen den Vietnamkrieg, den Besuch des Schahs von Persien, gegen die Springerpresse und gegen die Bildungspolitik demonstriert.

«Die 68er-Bewegung bestand aus mehreren Gruppen, die sich für unterschiedliche Themen engagiert und gegenseitig unterstützt haben», sagt Werner Thöle, Mitarbeiter des Staatsarchivs und Zeitzeuge. In der Nacht vom 8. April 1968 demonstrierte er vor dem Springer-Verlagshaus, obwohl in derselben Nacht seine Tochter geboren wurde.

Der Springerpresse warfen die 68er vor, durch hetzerische Berichterstattung über die Studentenbewegungen mit schuld an dem Tod des am 2. Juni 1967 auf einer Demonstration erschossenen Ohnesorgs zu sein. Die große Präsenz der Springermedien in der Stadt sei einer der Gründe, warum Hamburg neben Berlin und Frankfurt einer der Hauptschauplätze der 68er-Bewegung war, sagt Iris Groschek, Mitorganisatorin der Ausstellung. Fotos zeigen, wie Demonstranten in der Nacht vom 12. April 1968 die Auslieferung von Zeitungen des Springer-Verlages in Hamburg blockierten.

Um Details des gesellschaftlichen Umbruchs anschaulich darzustellen, werden die Fotos von Flugblättern, Plakaten, Zeitungsausschnitten, Akten und Protokollen ergänzt. Die Fragen wie und was die 68er waren und welche Auswirkungen sie für unser heutiges Leben haben, sind dabei das Leitmotiv der Schau. Fertige Antworten wollen die Organisatoren allerdings nicht geben. «Die Leute sollen selber nachdenken», sagt Groschek.

Zum Beispiel über die Rolle der Frau. Wäre die Gleichberechtigung ohne die Proteste der 68erinnen heute so weit vorangeschritten? «Wohl nicht», meint Groschek. Mutige Hamburger Studentinnen trugen dazu bei: «Meine Herren, heute sehen Sie uns nackt hier stehen, und wir zeigen unsere Brüste für jeden», sangen sie frei nach Brecht und mit nacktem Oberkörper während einer Gerichtsverhandlung im Hamburger Landgericht am 12. Dezember 1968. Auch die Grünen sind ohne die 68er kaum vorstellbar.

Angelika Ebbinghaus war bei der Aktion «Blanker Busen» dabei. Neben anderen Hamburger 68ern hat sie für die Ausstellung Statements über die bewegte Zeit und ihre Auswirkungen verfasst. Zu ihnen gehört auch Max Bamler, pensionierter Personalchef von Unilever. «Unser Antrieb war, den Menschen zu helfen - und wenn sie es nicht selber konnten oder wussten, mussten wir es eben für sie tun, denn wir wussten es besser als sie - glaubten wir damals jedenfalls», schreibt er. Seinen Weg an die Spitze eines global agierenden Konzerns kommentiert er so: «Wenn man von außen nichts erreichen kann, muss man den Laden eben von innen mitgestalten.»

www.staatsarchiv.hamburg.de