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Hamburg Hamburg: Dreigroschenoper wird an Reeperbahn gespielt

09.01.2004, 11:02
Eva Mattes als Frau Peachum (v.l.), Cornelia Schirmer als Polly und Christian Redl als Herr Peachum spielen während einer Fotoprobe zu dem Stück "Die Dreigroschenoper" im St. Pauli Theater in Hamburg.(Foto: dpa)
Eva Mattes als Frau Peachum (v.l.), Cornelia Schirmer als Polly und Christian Redl als Herr Peachum spielen während einer Fotoprobe zu dem Stück "Die Dreigroschenoper" im St. Pauli Theater in Hamburg.(Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Umgeben von einer grotesken Ganoven-Combo bestach Film- und Bühnenstar Tukur, bekannt für sein Faible für die Musik der 20er und 30er Jahre, als aalglatter Weiberheld. Ein Höhepunkt: sein heißer Tango in der Bordellszene mit Maria Bill von der Wiener «Burg» als abgetakelter Spelunken-Jenny. Eva Mattes beeindruckte als gerissene Celia Peachum, Redl als ihr zugleich komisch-biederer und böser Gatte Jonathan. Zickenalarm hieß es bei dem gelungenen Eifersuchtsduell zwischen Stefanie Stappenbeck als Polly und Anja Boche als Lucy.

Die Geschichte des smarten Gangsters Mackie Messer ist bis heute ein Renner. Bereits kurz nach der Uraufführung der «Dreigroschenoper» 1928 in Berlin wurden die eingängigsten Songs von Kurt Weill zu Ohrwürmern: «Und der Haifisch, der hat Zähne», das Lied der Seeräuber-Jenny oder die «Ballade vom angenehmen Leben». Bis heute gehört das Ganovenspektakel mit den frechen Songs zu den meistgespielten Stücken an deutschen Theatern.

Eine radikale Neuinterpretationen hat Regisseur und Theaterleiter Waller nicht probiert. Stattdessen setzt er ganz auf seine hervorragenden Darsteller, auf den plüschigen Charme des Theaters und die Rotlichtszenerie davor. «Hier muss man Brecht nicht interpretieren. Die Umgebung mit der Sündigen Meile ist schon die Interpretation, die Welt dieser Oper liegt quasi vor der Tür», hatte Waller gesagt. Herausgekommen ist - nach einem etwas schleppenden Anfang - ein unterhaltsamer Abend im Stil des Volkstheaters, bei dem der sozialkritische Biss allerdings mitunter auf der Strecke bleibt. Doch schon Brecht hatte einst registriert: «Der Charakter dieses Stücks ist zwiespältig, Belehrung und Unterhaltung stehen auf einem Kriegsfuß miteinander.»

Am Brecht'schen «Erst kommt das Fressen, dann die Moral» hat sich bis heute nichts geändert. Und äußerst aktuell klingen die Sätze, die Mackie vor dem Galgen spricht: «Wir kleinen bürgerlichen Handwerker (...) werden von den Großunternehmen verschlungen, hinter denen die Banken stehen. Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?» Tukur spricht diese viel zitierten Worte allerdings wie beiläufig, um im anschließenden Song - «man schlage ihnen ihre Fressen mit schweren Eisenhämmern ein» - die bürgerliche Verlogenheit ganz im Sinne Brechts mit umso mehr Wucht in der Musik zu enthüllen.

Nach der Vorlage der Opernparodie «Beggar's Opera» (1728) des Briten John Gay schuf Brecht sein episches Stück mit 20 Musiknummern in drei Akten. Der Bettlerkönig Peachum macht in der Londoner Vorstadt Soho sein Geschäft damit, dass er aus dem Elend Kapital schlägt, indem er gesunde Menschen als Krüppel ausstaffiert und sie für sich betteln lässt. Sein Rivale ist der Bandenchef Mackie Messer. Als der Weiberheld ausgerechnet Peachums Tochter Polly heiratet, beginnt ein Spiel, in dem jeder jeden verrät.