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Hallescher Kunstverein Hallescher Kunstverein: Wirklichkeit der Kunst überstrahlt Flaggenrot

Von Andreas Montag 11.11.2007, 17:40

Halle/MZ. - Formalismus und Dekadenz hießen die Totschlagworte, wenn die Bilder nicht zum lichten Zukunftsbild passten, wie die SED es entworfen wissen wollte. Nach der NS-Kampagne gegen die "Entartete Kunst" fand sich die Moderne einmal mehr im Fadenkreuz der Macht.

Verhängnisvolles Diktat

Diesem schmerzlichen, für viele Künstler und die Kunst verhängnisvollen Diktat des Sehens und seinen Folgen, Emigration und innere Emigration, sind in Halle schon mehrere, verdienstvolle Ausstellungen gewidmet worden, darunter in der Galerie des Kunstvereins Talstraße und in der Staatlichen Galerie Moritzburg.

Nun erinnert der Hallesche Kunstverein im Künstlerhaus 188 seit dem Wochenende an "Herbert Kitzel und Freunde. Die Zeit in Halle", an Weggegangene wie Gebliebene, während die Galerie am Domplatz bereits seit Ende Oktober den zweiten Teil der Schau präsentiert: "Die Zeit in Karlsruhe", veranstaltet vom Berufsverband Bildender Künstler in Sachsen-Anhalt. Beide Ausstellungen werden ab 16. Dezember in Karlsruhe zu sehen sein, wo Herbert Kitzel von 1958 bis zu seinem Tod im Jahr 1978 lebte.

In der Turnhalle, dem Ausstellungsraum im Künstlerhaus am Böllberger Weg, eröffnet sich indes ein wahrhaftig heiterer Blick auf eine Szene, die sich der Wahrhaftigkeit und nicht dem Illustrativen verpflichtet sah. Die Wirklichkeit dieser Bilder überstrahlte jedoch das Fahnenrot und muss selbst in den Grautönen viel lebendiger gewesen sein als ihre Zensoren. Das hat sie ja so erbittert. Hans-Georg Sehrt zitiert in seinem Katalogtext eine Attacke, die die Funktionärin Erika Kuckhoff 1951 in der halleschen "Freiheit" gegen Kitzels zwei Jahre später nach Westberlin geflohenen Freund Hermann Bachmann (1922-1995): "Seine Werke stellen eine Verhöhnung und Verächtlichmachung des Lebens und der voll Optimismus in die Zukunft schreitenden Menschen dar." In der Tendenz unterstützten Bachmanns Bilder die "amerikanische Kulturbarbarei". Die Dummheit hatte die Macht und führte nach Punkten...

Unter grauem Himmel

Sieht man etwa Bachmanns wunderbares Bild "Reste", noch in Halle begonnen und 1954 in Westberlin vollendet, oder die "Graue Familie in Landschaft" (1956) und die elegische "Artistenvorführung" von Herbert Kitzel, erschließt sich das ganze Trauerspiel der damaligen, offiziösen Kunstbetrachtung - und die Fallhöhe, auf der sich die Künstler wie ihre ebenfalls präsentierten Freunde Otto Möhwald, Tom Reichelt oder Albert Ebert bewegten. "Reste" zeigt eine düstere Stadtlandschaft vor wüster Industriekulisse, über den Dächern, unter grauem Himmel, sehen wir ein Mädchen, das eher schwebt als liegt. Es ist wohl tot, aber man meint doch, es atmen zu hören.

Ausstellung im Künstlerhaus am Böllberger Weg 188 in Halle, bis 2. Dez., Mo-So 11-17 Uhr