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Halle Halle: Schmerzen im Namen der Schönheit

15.11.2010, 18:07

Halle (Saale)/MZ/AHI. - Wahrscheinlich hätte Clara ihren späteren Geliebten warnen können: Als sich der 20-jährige Robert Schumann im Jahr 1830 entschloss, bei dem Leipziger Klavierpädagogen Friedrich Wieck Lektionen zu nehmen, wurde dessen neun Jahre jüngere Tochter bereits seit Jahren mit Hilfe eines "Handleiters" dressiert. Doch was sich der künftige Komponist selbst antat, um seinem rechten Mittel- und Zeigefinger die nötige Kraft und Geschmeidigkeit zu geben, war offenbar noch viel grausamer: Die "Cigarrenmechanik" führte dazu, dass Schumanns Hand zeitweise vollständig gelähmt war - und der Traum von einer Pianisten-Karriere endgültig platzte.

Der Wunsch nach diesem Beruf war im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Virtuosen, so verbreitet wie der Einsatz jener "Fleißmaschinen", die man nun in der Schatzkammer des Händel-Hauses Halle bestaunen kann. Zu Schumanns 200. Geburtstag hat man hier das "Ochydaktyl" und das "Daktylion", die "Chirogymnaste" und die "Chiroplast"-Methode zusammengetragen - lauter mechanische Hilfsmittel, die Griffweite und Anschlagskraft sowie Haltung des Pianisten parallel zum rasanten Fortschritt seines Instruments verbessern sollten. Da gab es Gegengewichte, die Rückenschmerzen auslösten, wenn man den Kopf beim Spielen zu weit nach vorn beugte. Da wurden die Finger mit Keilen geweitet, in Federn gehängt oder auf Schlitten und Wippen gesetzt. Und all das sollte am Ende den Vortrag am Pianoforte verbessern - Folter im Namen der Kunst.

Neben diesen Geräten zeigt die Ausstellung auch stumme Instrumente, die das Üben ohne störendes Geräusch ermöglichten - und die man heute als "Hand-Roll-Piano" bequem in die Tasche stecken und per Kopfhörer kontrollieren kann. Hinter Glas aber gibt es - neben zeitgenössischen Berichten über die Übungstechniken, darunter einer Lobeshymne von "Carl Loewe aus Stettin" - auch jenes Attest, das der Arzt Moritz Emil Reuter am 26. Januar 1841 für seinen Patienten Robert Schumann ausstellte. Darin wird auf Befreiung vom Dienst in der Leipziger Kommunalgarde gedrängt, weil der Künstler mit der lädierten rechten Hand nicht wehrfähig war. Manchmal, so könnte man meinen, ist eine gescheiterte Karriere doch noch zu etwas nütze.

Ausstellung bis zum 2. Januar, Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr