«Halle auf dem Tisch» «Halle auf dem Tisch»: Akropolis hoch über der Saale
Halle/MZ. - Sprödes Material
Darin wird eine so bisher kaum bekannte Kulturgeschichte der Stadt aus denkbar sprödem Material aufbereitet. Unter dem Titel "Halle auf dem Tisch" zieht das Museum eine Rückschau, die sich allein auf Architekturmodelle stützt.
Es sind handwerklich gefertigte Miniaturen zum Zwecke maßstabsgetreuer Anschauung, meist für Wettbewerbe entstanden. Die Stadt als Auslober vieler solcher Wettbewerbe hat dieses Erbe auf dem Dachboden des Rathauses entsorgt. Dort haben Kuratorin Cornelia Zimmermann und Grafiker Joachim Dimanski viele der Exponate aufgestöbert - verstaubt, zerbröselt, vergessen. Das gab den Anstoß, im Stadtarchiv und bei Architekten eiligst nach weiteren solchen Hinterlassenschaften zu forschen. Zusammengekommen ist fast ein Architekturmuseum. Es straft die Auffassung Lügen, eine solche Einrichtung würde niemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Vielmehr verdichtet sich die Lebenserfahrung vom permanenten Wandel nirgends so klar wie in der Veränderung der gebauten Umwelt. Die Modelle machen zeitgeschichtliche Bruchlinien bewusst. Allerdings fehlt noch die wissenschaftliche Aufarbeitung.
Was bei den Modellen aus dem bekannten Bestand des Museums - dem Roten Turm, dem "Großen Modell" der Stadt um 1600, der Rekonstruktion des Alten Rathauses - noch anmutet wie das touristische Wunschprogramm, so bekommt es einen anderen Geschmack, wenn man erfährt, dass diese Modelle für das Stadtjubiläum 1961 gebaut wurden. Das Alte Rathaus war ein gutes Jahrzehnt zuvor geschleift worden, der Rote Turm stand (noch bis 1975) ohne Haube da.
Doch bis in die 80er Jahre zog die Nachkriegszeit noch glimpflich an der Altstadt vorüber. Der folgende Epochenwandel brachte dann eine Flut von Modellen hervor. In den späten 80er Jahren wüteten die Flächenabrisse. Wie tief sie in die Altstadt greifen sollten, ist an didaktischen Modellen abzulesen: Farblich abgesetzt werden die Quartiersbereinigungen noch bis über 1991 hinaus fortgeschrieben.
Zeitgeschichtlich hallen in diesen Modellen sowohl die Sprengungen wie auch die Proteste einer wachsenden Widerstandsbewegung wider. Architektonisch macht sich in den geplanten Neubauten eine ebenso verwässerte wie eifrig aufgenommene Formensprache der Postmoderne bemerkbar. In Halle plante man ehrgeizige Großprojekte, wuchtig-verkantet alle beide: den Konzertsaal am Hallmarkt und das Einkaufs- und Kinozentrum auf dem Gelände des Ritterhauses, inklusive eines Wandfreskos des Malers Willi Sitte.
Der pinselte es samt wirbelnden nackten Weibern höchstpersönlich in Miniatur auf das Modell. Aus dem Bauhaus Dessau kam derweil ein Entwurf für die Modernisierung eines Plattenbaus, der heutige Lösungen vorwegnimmt.
Alternative Konzepte
In die Gegenwart reicht die Ausstellung mit Modellen etwa vom Händel-Karree und alternativen Konzepten für den Marktplatz, in die tiefste Vergangenheit verweisen alte Fotos. Es war ein Zeitalter der Gigantomanie. 1928 schrieb die Stadt den Wettbewerb für eine "Akropolis" auf dem Felsen gegenüber der Burg Giebichenstein aus.
Unter den Teilnehmern war auch Walter Gropius. Was danach kam, stellte alles in den Schatten: NS-Architekt Ernst Sagebiel schlug 1939 ein "Gauforum" vor, das sich vom Giebichenstein bis hinunter ans heutige Riveufer erstreckte.
Halle, Große Märkerstraße 10, bis 25. Sept. Di-So 10-17 Uhr. Eröffnung heute 19 Uhr.