Günter de Bruyn Günter de Bruyn: In märkischer Herrlichkeit
Halle/MZ. - Die Welt der Schadow und Schinkel, Kleist und Fouqué.
Das hat Günter de Bruyn, der morgen 80 Jahre alt wird, von Beginn seiner schriftstellerischen Laufbahn an getrieben, die der ausgebildete Bibliothekar 1961 einschlug. Von 1979 bis 1986 hatte er gemeinsam mit Gerhard Wolf die Edition "Märkischer Dichtergarten" im Buchverlag Der Morgen herausgegeben, nun bestellt er sozusagen das weite Feld - so ausschließlich wie noch nie zuvor.
Mit Böll und Jean Paul
Sich selbst und seinen Lesern schenkt der Chronist, der seit über 40 Jahren im brandenburgischen Flecken Görsdorf bei Beeskow lebt, nunmehr einen 522 Seiten zählenden Schmöker, leichthändige Kulturliteratur für Preußenliebhaber. "Als Poesie gut" zitiert das Buch im Titel einen Ausspruch des wenig kunstsinnigen Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III., mit dem dieser einst die Ablehnung einer politischen Denkschrift begründete. De Bruyn, in Berlin als später Nachfahre hugenottischer Einwanderer geboren, ist da anderer Meinung.
"Sogar als Poesie noch gut", hätte er wohl entgegnet. Denn de Bruyns Buch, so der Untertitel, erzählt "Schicksale aus Berlins Kunstepoche 1786 bis 1807", vom Tode Friedrichs des Großen an bis zum Niederlage-Frieden von Tilsit, dem Auslöser der großen Reformen. Für de Bruyn markiert die Ära um 1800 Preußens beste Jahre, die für ihn eine mustergültige Synthese von Kunst, Politik und Gesellschaft bedeuten. Jahre, die der Autor in gediegenen Künstler- und Dichterporträts Revue passieren lässt. Man liest das gern, aber fragt sich doch auch: Soll der Erzähler Günter de Bruyn nur noch für solcherart märkisch besinnliche Festtagsprosa gepriesen sein? Seit 20 Jahren hat der Erzähler, der Jean Paul und Heinrich Böll zu seinen literarischen Hausgöttern zählt, keine Belletristik mehr vorgelegt - seit dem Roman "Neue Herrlichkeit" und dem Erzähl- und Aufsatzband "Frauendienst". Bücher in Fülle gab es: eine "Preußische Trilogie" darunter - die Bände über Königin Luise, die Finckensteins, die Straße Unter den Linden - und das eindrückliche Erinnerungsbuch "Vierzig Jahre"; aber Günter de Bruyn ist doch so viel mehr als ein Sachbuchautor, der die Abende vor neubürgerlichen Kaminen verkürzt.
Denn da gibt es die Erzählwerke "Buridans Esel", "Preisverleihung" und "Märkische Forschungen", letzteres zog in der Regie von Roland Gräf einen der schönsten und heitersten Defa-Filme nach sich. Da ist diese anregende Haltung, die de Bruyns Schreiben beflügelt: Lakonie und Witz, Ironie und Eleganz, bei aller selbstgewählten Randständigkeit ein Höchstmaß an Zivilität. Und so geschieht es dann: Je tiefer man sich in die Lektüre begibt, um so sinnfälliger wird es, dass es ein grober Fehler wäre, den märkischen Chronisten gegen den Erzähler de Bruyn auszuspielen.
Denn so wie das alte Preußen für de Bruyn ein immerjunges utopisches Element in sich trägt, das sich in einem glückhaften Moment gesellschaftlichen Gelingens kurzzeitig verkörperte, wird der Autor von der brandenburgischen Landschaft angezogen. An diese bindet ihn, wie er schreibt, "die zur Liebe nötige Gewissheit, einander gemäß zu sein". Sehnsucht und Wirklichkeit halten sich hier im Gleichgewicht.
Im Osten am Rand
Insofern ist die fortgesetzte Landschafts- und Geschichtserzählung immer auch Selbstbericht und Gegenwartsliteratur. So wie de Bruyn seinen Kollegen Böll als "Repräsentant der Zeitgeschichte" lobt, ist er selbst ein Repräsentant des geistig, künstlerisch und sittlich Unzeitgemäßen, einer längst altmodisch wirkenden Kultur der Distanz und Diskretion, die in der Medien-Demokratie über keinen Rückhalt mehr verfügt. Nie hat sich dieser Schriftsteller, dessen kulturkritische Essays wie Lektüre-Jungbrunnen wirken, der Gesellschaft aufgedrängt: weder in der DDR, wo die mahnende Intellektuellen-Dreinrede in das Leben eines jeden Einzelnen hoch im Kurs stand, noch danach. Dass Günter de Bruyn seinen 80. Geburtstag morgen in Frankfurt an der Oder feiert, dem äußersten Osten der Republik, ist also kein Zufall. Dass ihn die politische Klasse dort aufspürt, um ihn zu ehren, darf auch einmal als ein gutes Zeichen gelten.