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Großbritannien Großbritannien: BBC stellt die Hitparaden-Sendung «Top of the Pops» ein

Von Thomas Burmeister 21.06.2006, 07:02
Die Rolling Stones, hier ein Foto vom Mai 2005, spielten 1964 als erste Band bei «Top of the Pops» ihren Titel «I Wanna Be Your Man». (Archivfoto: dpa)
Die Rolling Stones, hier ein Foto vom Mai 2005, spielten 1964 als erste Band bei «Top of the Pops» ihren Titel «I Wanna Be Your Man». (Archivfoto: dpa) EPA

London/dpa. - London/dpa.Mit den Rolling Stones fing alles an. Mit denArctic Monkeys kam das Ende. Dazwischen lagen 42 Jahre, in denen dieMutter aller Fernseh-Hitparaden immer wieder Rockgeschichte schrieb.Jetzt brauchte die Londoner Zeitung «Daily Mirror» dem Titel derweltbekannten BBC-Show einfach nur ein «S» voranstellen, um dasDilemma für alt gewordene Hitparaden-Fans auf den Punkt zu bringen:«Stop of the Pops».

Am 30. Juli, kündigte die BBC fast ein wenig verschämt amDienstabend an, werde die 2204. und zugleich letzte Show von «Top ofthe Pops» ausgestrahlt. Die schlechte Nachricht sprach sich inWindeseile in mehr als 100 Ländern herum, in denen TV-Stationen dieHitparade bis heute Woche für Woche übernommen hatten.

«Wie kann man so etwas tun?», fragte Noel Edmond, einst einer dererfolgreichsten DJs der Sendung. «"Top of the Pops" ist doch einerder größten Markennamen des Fernsehens, so etwas wirft man doch nichteinfach über Bord. Ich bin sehr traurig.» Jimmy Savile, der legendäreerste Moderator der TV-Hitshow, legte den Finger auf Wunde: «Als ichnach der ersten Show am 1. Januar 1964 gefragt wurde, wie lange sielaufen wird, habe ich geantwortet: "So lange, wie die LeuteSchallplatten kaufen".»

Wie die meisten Hitparaden der Welt lebte auch «Top of the Pops»davon, dass Musiker immer wieder neue Singles auflegten, derenVerkaufserfolg gemessen und zu Hitlisten hochgerechnet wurde. Dochdie Single-Verkäufe sind rückläufig. Die Zeitspannen zwischen denSingles einzelner Bands werden zudem immer größer. Natürlich lebtedie Sendung lange auch von ihrer Exklusivität. Wo sonst konnte man imFernsehen regelmäßig die Stones sehen, die Hollies oder die Beatles?

Für alle Popmusiker, die hoch hinaus wollten, führte kein Weg an«Top of the Pops» vorbei - bei den Briten auch mit der Abkürzung TOTPgut bekannt. Hier wurden große Karrieren so richtig ins Rollengebracht - darunter jene von Madonna, David Bowie und sogar von Paulund Linda McCartneys Band The Wings. Immer wieder wurden ausunbekannten Gästen der Sendung Stars, wie 1982 aus Boy George.

All das änderte sich mit der von digitaler Technik getriebenenMedienrevolution. Zuerst bekamen die klassischen TV-HitparadenKonkurrenz durch 24-Stunden-Musiksender. Dann kam das Internet.«Heute gibt es unzählige Quellen für Musik - iPods, Videos, MTV,Millionen von Möglichkeiten», sagt resignierend Dave Lee Travis,TOTP-Moderator von 1974-1984.

In ihren besten Zeiten erreichte die Hitshow allein inGroßbritannien bis zu 19 Millionen Zuschauer. Zuletzt waren es gerademal knapp eine Million. Dass das Format der TV-Hitparade in derVideo-iPod-Ära nicht mehr mithalten kann, machten schließlich jungeBands wie die Arctic Monkeys deutlich. Sie lehnten Einladungen insBBC-Studio dankend ab. In Zeiten des «file sharing» über das Internetsei TOTP nicht mehr relevant, ließ die Band wissen.

Was blieb, war immer noch eine Sendung, die sich in vielen Ländernder Welt großer Beliebtheit erfreute - vor allem in ärmeren Eckender Welt, wo ein Fernsehapparat in der Dorfkneipe für sehr vieleZuschauer immer noch die einzig erschwingliche Form von Entertainmentist. Aber in den Industriestaaten war «Top of the Pops» längst nurnoch ein Klassiker. Eine Ikone wie «Dinner for One», nur dass kaumnoch jemand «the same procedure» wirklich jede Woche haben wollte.