Golo Mann Golo Mann: Lebenslanger Kampf gegen den Schatten des Vaters
HAMBURG/DPA. - 84Jahre später warf Thomas Mann auch noch beim Tode seines drittenKindes einen langen Schatten: Golo Mann, inzwischen Büchner-Preisträger (1968) und als Historiker und politischer Publizistlängst selbst berühmt, hatte sich ausbedungen, dass er auf einemFriedhof am Zürichsee weit abseits der väterlichen Familie bestattetwerden sollte. Aber eben doch auf demselben Friedhof.
An der Last des Schriftsteller-Vaters mit Nobelpreisehren und derbeiden schon jung berühmt gewordenen Geschwister Klaus und Erikahatte Golo Mann nach eigener Aussage sein Leben lang schwer zutragen. Er wirkte nach der Geburt am 27. März 1909 in München auf dieEltern «nicht so brillant» wie die größeren Geschwister, entwickeltesich zum melancholischen Eigenbrötler. Dass sein Vater ihn für begabthielt, habe er zum ersten Mal im Rentenalter beim Studium von ThomasManns Tagebüchern erfahren, berichtete der Sohn bitter.
Trotz des auch zur Mutter Katia Mann gespannten Verhältnissesfolgte er den Eltern, mit Unterbrechungen, stets auf deren Wegen:nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in dieEmigration nach Zürich, 1939 weiter in die USA. Hier unterrichtete eran einem Provinz-College im kalifornischen Claremont und bezeichnetediese Jahre später als die «glücklichsten meines Lebens».
Nach dem Krieg ließ sich Golo Mann wesentlich mehr Zeit mit derRückkehr nach Europa als seine Eltern. Endgültig verabschiedete ersich aus Kalifornien 1958, als sein Name in Deutschland mit Büchernwie «Vom Geist Amerikas» und der sehr erfolgreichen «DeutschenGeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts» (1958) immer bekannterwurde. Während die angestrebte akademische Karriere als Historikerstrandete, etablierte sich Mann zunehmend als politische Stimme.Lange vor der «Versöhnungspolitik» des ersten SPD-NachkriegskanzlersWilly Brandt gegenüber osteuropäischen Staaten verlangte er dieendgültige Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze.
Zum großen schriftstellerischer Durchbruch wurde die 1971veröffentlichte Wallenstein-Biografie. Mann gelang mit seinem Wälzerüber den Feldherrn aus dem Dreißigjährigen Krieg ein höchst populärerBestseller, der ihm auch überwiegend Lob der Fachwelt eintrug.Politisch bewegte sich der passionierte Pfeifenraucher, derinzwischen wieder im elterlichen Haus in Zürich wohnte, nach rechts.1980 setzte er sich für die Wahl von CSU-Chef Franz-Josef Strauß zumBundeskanzler ein und verlangte in den 80er Jahren die Freilassungdes früheren Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess aus dem SpandauerKriegsverbrechergefängnis.
Seine Homosexualität behandelte Golo Mann in der Öffentlichkeitbis kurz vor dem Alter mit größter Zurückhaltung. Er adoptierte einenzeitweiligen Partner - auch dies ein Versuch, sich von derlebenslangen Umklammerung durch seinen Vater und dessen Familie zuentziehen. Wegen zunehmender Altersschwäche und Demenz nahm ihn dieWitwe seines Adoptivsohnes, Ingrid Beck-Mann, bei sich in Leverkusenauf und pflegte ihn bis zu seinem Tod. Golo Mann starb am 7. April1994 in Leverkusen.