Gitarrengott Gitarrengott: Ein Wanderer im Ruhestand
Halle/MZ. - Als Klaus Renft ihn damals zum Vorspielen einlud, war Peter Gläser ein schüchterner Lehrling mit runder Lennon-Brille. Auf einer Parkbank traf er den damals schon legendären Chef der Renft-Combo, er klimperte ihm "Monday, Monday" vor und war mächtig aufgeregt dabei. Klaus Renft gar nicht, denn dem war schon nach ein paar Akkorden klar, dass er dieses junge Talent gern in seiner zuweilen chaotischen und musikalisch nicht unbedingt sattelfesten Band haben wollte. Anfangs holt ihn sein Vater nach Konzerten ab, denn Cäsar ist noch keine achtzehn. Vierzig Jahre später ist aus Peter Gläser selbst eine Legende geworden wie die eben erschienene Werkschau "Geht es Dir gut - 40 Years onstage" beweist. "Cäsar", wie ihn Bandkollegen und Fans ebenso liebevoll wie ehrfürchtig rufen, ist nach bewegten Jahren endlich zur Ruhe gekommen: Seit er in seine alte Heimatstadt Leipzig zurückgekehrt ist, hat der heute 56-Jährige begonnen, die Schaffensjahre aufzuholen, die er in der DDR verloren hatte.
Damals war Gläser nach dem Verbot seiner Stamm-Combo Renft zwar im Lande geblieben. Mit der Gruppe Karussell gelangen ihm auch künstlerisch überzeugende Werke wie die Platte "Das einzige Leben" und der Sprung in die Spitze des DDR-Rock. Doch glücklich war Peter Gläser nicht geworden: Mehr und mehr geriet er in Widerspruch zum staatssozialistischen Konsens, immer öfter eckte er mit seinen Texten an. Der Bruch kam schließlich, als Cäsar, überzeugter Pazifist, nach einem Gastspiel in einer NVA-Kaserne einen nach Ansicht der staatlichen Kulturüberwacher pazifistischen und damit eindeutig staatsfeindlichen Spruch ins Gästebuch schrieb.
Weil er sich danach weigerte, zu widerrufen, wurde aus dem Star ein Paria. Peter Gläser, nach dem Ausstieg bei Karussell mit eigener Band unterwegs, durfte nicht mehr auftreten, keine Interviews geben, keine Platten produzieren. Schließlich gab der Mann mit den flinken Fingern und der tiefdunkel raunenden Stimme, die solche Renft-Hits wie "Der Apfeltraum" und "Wer die Rose ehrt" veredelt hatte, auf. Peter Gläser ging nach Westberlin und wurde Taxifahrer. Nur glücklich war er nicht, ohne seine Gitarre, ohne Lieder. Als sich die Renft-Band wiedergründet, mag der stille, nachdenkliche Musiker dennoch nicht mitmachen. Die Emotionen kochen hoch und Cäsar hat Angst, dass die Legende Schaden nimmt, weil er als NVA-Soldat mit Mitarbeitern des MfS gesprochen hatte.
Mitte der 90er aber beginnt Peter Gläser noch einmal ganz von vorn, angepeitscht von Sohn Robert, der ihm immer wieder sagt "Alter, du musst spielen". Und seitdem spielt er. Die erste Soloplatte, die ihn die DDR nicht mehr machen ließ, kommt 1995, mit zehn Jahren Verspätung. Seitdem aber folgten neun weitere Alben, zum Teil in Zusammenarbeit mit Freunden wie Wolfgang "Boddi" Bodag von Engerling oder Gerulf Pannach, dem Renft-Texter und Liedermacher.
Stand Cäsar seinerzeit bei Renft im Schatten der Haupt-Komponisten Christian Kunert und Thomas Schoppe, so hat der Autor von Ostrock-Klassikern wie "Wandersmann" inzwischen bewiesen, dass er es genau so gut kann. Songs wie "Kain ist tot" oder "Bin nur Papier" zeigen Peter Gläser als gereifte Künstlerpersönlichkeit, die sich ihrer Mittel in jedem Moment sicher ist. Mit seiner Gitarre, deren Klang man aus tausenden herauskennen würde, der Blockflöte, die er schon bei "Wer die Rose ehrt" spielte, und der von den Jahren und den vielen, vielen Zigaretten tiefergelegten Stimme baut Peter Gläser mal krachende Rocksongs wie im neueingespielten "Wandersmann", der jetzt an Bands wie Rammstein oder Corvus Corax erinnert. Oder er produziert sanfte, streichelzarte Balladen wie "Hallelujah".
Die Bitternis, die die frühen Solo-Werke des Sachsen prägte, ist längst verschwunden. Längst trägt Cäsar, in seiner Heimatstadt ein Säulenheiliger des Rock, für all die Jahre, all die zerstörten Träume und ausradierten Chancen eine tiefe Furche im Gesicht. Doch genau betrachtet war der Sänger, der sich einst als "Wandersmann" porträtierte, nie jünger als heute.