Gianna Nannini mit «Giannabest» unterwegs
Hamburg/dpa. - Ihr Markenzeichen ist die Stimme: Leicht krächzend, rauchig, als hätte man ihr mit Sandpapier den Rachen geschmirgelt - und manchmal doch weich und ungeheuer kraftvoll.
Gianna Nannini hat sich mit Hits wie «Latin Lover» und «Bello E Impossibile» seit Jahrzehnten weit über die Grenzen Italiens hinaus einen Namen gemacht. Besonders in Deutschland hat die toskanische Rockröhre zahlreiche Fans. Jetzt rockt sie in sechs Fußball-Arenen im Vorprogramm von Bon Jovi und hat dabei ihr 2-CD-Best-Of-Album «Giannabest» im Gepäck. Der Auftakt in Gelsenkirchen (22.05.) war allerdings noch etwas mühsam. Lediglich bei einigen Klassikern kam so etwas wie Stimmung auf.
Diese sorgen geballt auch für Stimmung auf «Giannabest»: Neben ihrer Hymne auf die Männer «I Maschi», «Fotoromanza» oder dem großartigen Liebeslied «Meravigliosa Creatura» sind mit «Suicidio d?Amore», «Pazienza» und «Mosca Cieca» auch drei neue - ziemlich dunkle und beröhrende - Songs dabei.
Auf der Bühne ist die Sängerin mit den strähnigen Haaren und dem uneitlen Auftreten ein echtes Kraftpaket. Sie wirbelt herum, klettert auf Gerüste, gibt immer alles. Nannini ist engagiert, sie sagt, was sie denkt: Früher, da machte sie auch durch politische Aktionen Schlagzeilen. So etwa 1995, als sie auf einen Balkon der französischen Botschaft in Rom kletterte und dort ein spontanes Konzert gab, um gegen die Atomexperimente vor dem Pazifikatoll Mururoa zu protestieren.
Zornig wirkte sie, als sie da wie David gegen Goliath für eine bessere Welt kämpfte. «Aber den Zorn habe ich beiseite gelegt, er ist unproduktiv. Klar, Kriege machen mich wütend, aber ich werde sie nicht durch Zorn abschaffen», meint sie heute.
1956 in Siena geboren, verlässt die rebellische Gianna nach dem Abitur mit 18 Jahren das Elternhaus. Sie studiert Klavier am Konservatorium von Lucca und geht später nach Mailand, wo sie ein Philosophiestudium aufnimmt und in Clubs und Kneipen auftritt. Nach ihrem introvertierten Debütalbum «Gianna Nannini» entdeckt sie in den USA den Rock. Auf der Scheibe «California» kommt Nannini 1979 erstmals mit dem ihr eigen gewordenen rockigen Sound daher - und schafft im In- und Ausland den Durchbruch. Dabei sorgte sie in ihrem Heimatland mit der Single-Auskopplung «America» zunächst mal für einen Skandal - freimütig sang die gerade mal 23-Jährige da schon von Selbstbefriedigung.I
Nachdem sie im Jahr 2000 den Soundtrack zu einer Verfilmung von Michael Endes Geschichte «Momo» geschrieben hatte, setzte sie 2002 mit dem Album «Aria» zum ersten Mal mehr auf symphonische Elemente und elektronische Klänge. Mit dem Album und der Tour «Perle» wagte sie zwei Jahre später erneut einen neuen Sound. Vier Streicher, zwei Konzertflügel und Nanninis Reibeisenstimme - «verwegen», nannte das ein Kritiker. Dennoch: Die alten Songs in neuer, klassischer Fassung hatten Erfolg - bei der Europatournee 2004 überzeugte sie ihre Fans.
Mit «Grazie» (2006) schaffte sie in Italien prompt den Sprung auf die Nummer 1. «Gianna Nannini in Reinkultur», schwärmte ein Fan. «Sie hat hier auf ein Neues bewiesen, das sie einfach in keine Schublade gepackt werden kann.» Zuletzt erschien von ihr die Rock-Oper «Pia ? Come La Canto Io».
Die leidenschaftliche Musikerin hat auch in Zukunft noch viel vor. Mit wie viel Kraft und Willen sie durchs Leben geht, zeigte sie auch 1994, als sie nach 18 Jahren in Siena ihr Philosophiestudium wieder aufnahm und mit Bestnote abschloss. Und auch wenn mittlerweile elektronische Klänge manchmal die Rock-Gitarre ersetzen - Gianna Nannini bleibt immer die Alte: «Ich bin mir selbst treu geblieben. Meine Stimme ist mein Markenzeichen, da hat sich nichts geändert.»