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Gesellschaft Gesellschaft: Heinrich Manns Enkel lehrt Sinnlichkeit

08.08.2006, 07:00
Der 50-jährige Enkel des deutschen Schriftstellers und Zeitkritikers Heinrich Mann, Saranam Ludvik Mann, in seinem Diamond-Lotus-Institut in Berlin. (Foto: dpa)
Der 50-jährige Enkel des deutschen Schriftstellers und Zeitkritikers Heinrich Mann, Saranam Ludvik Mann, in seinem Diamond-Lotus-Institut in Berlin. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Sie berühren die Grenzen der Tabusdieser Gesellschaft», sagt der Enkel des Schriftstellers undZeitkritikers Heinrich Mann (1871-1950). «Atem der Lust», «Alchemie des Eros» oder «Sei schamlos glücklich» lauten die Titel derSeminare, die er gemeinsam mit ein paar Gleichgesinnten im Berliner«Diamond Lotus Institut» anbietet.

Wenn er in seiner weiten Stoffhose und dem luftigen, erdfarbenenHemd im Lotussitz auf dem Boden des Instituts sitzt, wirkt Mannjünger als er ist, fast ein bisschen alterslos. Die geölten Lockenfallen lang und schwarz über die Schultern. Und auch Falten imbronzefarbenen Teint sind dem 50-Jährigen mit dem berühmten Großvaterbislang weitgehend erspart geblieben. «Wer eine erfüllte Sexualitäthat, arbeitet auch mit mehr Glück», ist Mann überzeugt. «VieleProbleme dieser Welt rühren daher, dass wir das Sexuelle, denintimsten und verletzlichsten Lebensbereich des Menschen, selbstheute noch als etwas ehranrühriges und zwielichtiges abtun.»

Wie sein 1950 gestorbener Großvater, der vor allem durch den«Untertan» oder «Professor Unrat» («Der Blaue Engel») berühmt wurdeund als liberaler Sozialist in zahllosen Essays und Reden fürDemokratie und soziale Gerechtigkeit stritt, versucht auch der Enkel,sich mit seinem Tun sehr aktiv für einen gesellschaftlichen Wandeleinzusetzen. In seiner sexualtherapeutischen Arbeit will er Singlesund Paaren einen «offeneren und entspannteren Umgang mit ihrerSexualität» vermitteln - auch Erfahrungen in der Gruppe gehören fürmanche dazu.

Mann träumt sogar davon, eine seinem Großvater gewidmete «Stiftungzur Förderung sinnlicher Kultur» zu gründen. Wissenschaftler,Künstler und andere Kreative sollen dort zusammenarbeiten undEntwürfe für eine bessere und sinnlichere Welt entwickeln. SexuelleErfüllung müsse als Grundrecht in der deutschen Verfassung genau soverankert werden wie die Unversehrtheit des Körpers, meint Mann.

Bis genügend Mitstreiter für die Stiftung gefunden sind, arbeitetder 50-Jährige in seminarfreien Zeiten an seinem ersten Roman. In ihmgeht es um das «erotische Erwachen» eines Journalisten-Ehepaars, daseine «Midlife-Krise der etwas anderen Art» durchmacht. Mann selbstlebt zusammen mit seiner großen Liebe Suriya in einer tantrischenLebensgemeinschaft über dem Institut. «Im Tantra geht es um tiefeIntimität, um die Verehrung des Geschlechtlichen», sagt derSchriftsteller-Enkel, der selbst keine Kinder hat.

Neben dem ersten Roman gibt es zudem noch das Musikprojekt «Kinderder Sterne» und eine 17 Quadratkilometer große «Liebesinsel» imbrasilianischen Amazonas-Delta. Schritt für Schritt soll das «Tao-Oasis» getaufte Eiland zu einem ökologischen Feriendomizil ausgebautwerden. «Ich bin fast jedes Jahr dort», erzählt Mann über die vorzwölf Jahren gekaufte Insel. In Zukunft sollen auch am Amazonaseinmal Seminare angeboten werden.

Den Umgang mit der Sexualität sieht Saranam Ludvik Mannschließlich auch als die große Verbindung zu seinem Großvater an.«Mich hat es sehr berührt wie kompromisslos er dazu stand», sagt derEnkel. «Professor Unrat», «Henri Quatre» oder «Die Göttinnen» -Heinrich habe sich trotz der widrigen gesellschaftlichen Umstände inseinen Büchern nie vom Sexuellen distanziert. «Da muss eineVerwandtschaft im Geiste existieren», sagt Mann, der heute zusammenmit seinem Bruder Jindrich Mann-A¨kenazy die Rechte an HeinrichsWerken hält.

Kennen gelernt hat er seinen berühmten Großvater aber nie. AlsHeinrich Mann 1950 im amerikanischen Exil menschlich vereinsamt undfinanziell verarmt starb, war Saranam noch nicht geboren. Auch seineGroßmutter, die Prager Schauspielerin Maria Kanová, hat er niegesehen. Sie starb kurz nach der Befreiung aus einemKonzentrationslager der Nazis. Heinrich Mann hatte sich 1928 von ihrgetrennt. Die gemeinsame Tochter Leonie, die Mutter von SaranamLudvik, wurde 1916 in München geboren.