Geschichte und Geschichten rund ums Essen
Hamburg/dpa. - Essen macht nicht nur satt, es ist auch ein wichtiges gesellschaftliches Bindeglied. Mit der Bedeutung von Nahrungsmitteln für das Zusammenleben und für die geschichtliche Entwicklung beschäftigen sich drei neuere Bücher.
«Safran, Sushi und Prosecco» von Marcus Reckewitz und Hannes Bertschi, «Kochende Leidenschaft» von Jean-Claude Kaufmann und «Kaffee» von Heinrich Eduard Jacob.
Auf höchst amüsante Weise widmen sich Reckewitz und Bertschi dem Genuss: Humorvoll und faktenreich schildern sie die Historie von Spezialitäten wie Blutente und Crepe Suzette sowie Bulette und Weißwurst. Sie erläutern, warum der Mensch ähnlich der Fruchtfliege nach Vergorenem schmachtet, schildern detailreich, wie aus einer erstickten und in einer Presse bearbeiteten Ente eine teure Spezialität entsteht und wandeln auf den ungesicherten Spuren der Pommes.
Auch einer Randerscheinung bei Tisch ist in dem sehr zu empfehlenden Werk ein Kapitel gewidmet: der Flatulenz. «In aller Öffentlichkeit furzen und dafür auch noch tosenden Beifall erhalten - wie viele Männer mögen davon träumen?», schreiben die Autoren und erinnern an die Ära der Kunstfurzerei im 18. und 19. Jahrhundert. Sie erklären zudem, warum die Hinterlassenschaften des Fleckenmusangs so kostbar sind, das Prosecco keine Weinregion, sondern eine Traube bezeichnet und warum es kein Lebensmittel gibt, bei dem die Gefahr einer Fälschung größer ist als beim Safran.
Ein Vergnügen ist es auch, die Geschichte der Kiwi nachzulesen, die vor mehr als 100 Jahren von der gestressten Lehrerin eines Mädchenpensionats entdeckt wurde. Das Buch ist das dritte Werk des Duos, das bereits mit «Von Absinth bis Zabaione» und «Champagner, Trüffel und Tatar» seine Leser begeisterte.
Weniger kurzweilig, aber ähnlich faktenreich ist das Buch «Kochende Leidenschaft». Der französische Soziologe Kaufmann («Singlefrau und Märchenprinz») hat sich mit der Bedeutung des Essens für den familiären Zusammenhalt beschäftigt. Sein Buch basiert auf der Befragung von Frauen zu Essverhalten, Tischritualen und zur Bedeutung der Mahlzeiten innerhalb der Familie.
Zudem erläutert Kaufmann kurz die Kulturgeschichte des Kochens. Er erklärt beispielsweise, dass Melonen lange Zeit zu den «kalten» Nahrungsmitteln gezählt wurden, die das «sexuelle Feuer» dämpften, aber als verdaungshemmend galten. Deshalb seien sie stets zusammen mit «heißen» Nahrungsmitteln wie Gewürzen, Wein und Wurst verzehrt worden - Gerichte wie Melone mit Parmaschinken zeugten noch heute von diesem Irrglauben.
Kaufmann verdeutlicht, dass Kochen für viele Frauen auch heute noch keineswegs eine Tätigkeit ist, die mit Passion und Freude ausgeübt wird - sondern allzu oft eine als mühselig und unangenehm angesehene Pflicht. Der Soziologe erinnert an die Zeiten, als Familien noch allabendlich beisammen saßen und aus einer Schüssel löffelnd ihr oftmals sehr kärgliches Mahl verzehrten. Und er führt aus, was die Moderne mit all ihren neuen Ernährungsmöglichkeiten aus diesem gemeinsamen Ritual gemacht hat. «Der autonome Esser ist immer in Bewegung und hat es eilig, als fürchtete er sich davor, wieder in die Falle zu geraten, nachdem er sich doch von der alten Zucht und Ordnung befreit hat.»
Für die Untersuchung wurden 22 französische Frauen und Männer befragt, deren biografische Angaben im Anhang zu finden sind. Kaufmanns Werk ist kein Fachbuch über richtige Ernährung und Essenszubereitung, sondern eher eine auf individuellen Fallbeispielen basierende Erzählung. Allerdings wird dabei recht viel loses Material «mitgeschleppt», dass das Buch etwas fad wirken lässt, einzelne Aspekte doppeln sich.
Ganz allein einem einzigen Getränk ist das neu aufgelegte Buch von Heinrich Eduard Jacob (1889-1967) gewidmet, der als einer der Begründer des «Neuen Sachbuchs» gilt: dem Kaffee. Lange Zeit war die Kaffeebohne der zweitwichtigste Rohstoff auf dem Weltmarkt nach dem Rohöl. Zwölf Kaffeebäume werden statistisch für jeden Bundesbürger jährlich pro Hand geerntet. Die munter machende Bohne gilt als Keim der Globalisierung. Jacob beschreibt, wie der Kaffee Aufnahme in die Küchen der Menschheit gefunden haben könnte. Anschaulich und außergewöhnlich umfassend schildert er die Historie des Anbaus, des Handels und der gesellschaftlichen Bedeutung des Genussmittels.
Der Journalist verdeutlicht, wie viele Millionen Schicksale in den vergangenen Jahrhunderten auf vielfältige Weise von den kleinen Bohnen abhingen. Das hochwertig gestaltetes Standardwerk wird ergänzt von einem Essay über die aktuellen Entwicklungen der Kaffeewelt sowie einige Karten, die die wichtigsten Wege des Kaffees nachvollziehen.
Marcus Reckewitz, Hannes Bertschi
Safran, Sushi und Prosecco
Scherz Verlag, Frankfurt am Main
288 S., Euro 17,90
ISBN 978-3-5021-5028-2
Jean-Claude Kaufmann
Kochende Leidenschaft, Soziologie vom Kochen und Essen
Medien Verlagsgesellschaft, Konstanz
372 S., Euro 19,90
ISBN 978-3-8966-9558-1
Heinrich Eduard Jacob
Kaffee
Die Biographie eines weltwirtschaftlichen Stoffes
Oekom Verlag, München
357 S., Euro 24,90
ISBN 978-3-8658-1023-6