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Geschichte Geschichte: Staunen über den Chemnitzer Regenwald

Von Erik Nebel 12.03.2008, 08:52
Die Museumspädagogin Hannelore Thuß vom Chemnitzer Naturkundemuseum erklärt Vorschulkindern wie vor 290 Millionen Jahren im Stadtgebiet von Chemnitz diese riesigen Baumstämme wuchsen. (Foto: dpa)
Die Museumspädagogin Hannelore Thuß vom Chemnitzer Naturkundemuseum erklärt Vorschulkindern wie vor 290 Millionen Jahren im Stadtgebiet von Chemnitz diese riesigen Baumstämme wuchsen. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Chemnitz/dpa. - Das seit vier Jahren im beliebten KulturkaufhausTietz ansässige Naturkundemuseum präsentiert die Stämme aus derVorzeit zwar in einer sehenswerten Ausstellung, doch alsMarkenzeichen der Stadt werden die Kieselhölzer nicht wahrgenommen.Das soll in diesem Jahr anders werden. Von April an wollenWissenschaftler ein kleines Stück des Waldes ausgraben und einspektakuläres Schaufenster in die Erdgeschichte freilegen.

Vor fast 300 Jahren wurden die ersten Bäume des Waldes aus Steinentdeckt. Vor allem um 1900 herum, als die Stadt immer größer wurdeund einen regelrechten Bauboom erlebte, kamen im StadtteilHilbersdorf immer weitere Stämme zum Vorschein. Sie stammen auseiner Zeit, in der Mitteleuropa noch eine tropische Klimazone war.Bei einem Vulkanausbruch wurde der Regenwald entwurzelt, von Gesteinund Staub verschüttet und so konserviert.

«Der Vulkanausbruch war für die Natur damals eine Katastrophe,für die Wissenschaft heute ist es ein Glücksfall», sagt der Leiterdes Chemnitzer Naturkundemuseums Ronny Rößler. Die Voraussetzungen,neue Kenntnisse über die Lebewelt des Perm zu gewinnen, seien inChemnitz so einzigartig wie an kaum einem anderen Ort auf der Erde,meint Rößler. «Die Fossilien wurden nicht verfrachtet und sind Zellefür Zelle erhalten geblieben.»

Bislang beschränkten sie sich in Chemnitz allein auf dasAufsammeln der Pflanzenfossilien. Mehrere hundert Kieselhölzer sindso mittlerweile zusammengekommen. Einige haben die Chemnitzer etwaan Naturkundemuseen in Paris, Stockholm und London geschickt. Jetztsollen erstmals wissenschaftliche Grabungen neue Erkenntnissebringen. Dafür wird eine 500 Quadratmeter große Probeflächefreigelegt werden. Ein zweites Fenster könnte im StadtteilSonnenberg entstehen, wo derzeit zahlreiche Plattenbauten abgerissenwerden.

Rößler ist überzeugt, dass immer noch Bäume unter der Stadtliegen. Er verspricht sich von den Grabungen auch endlich mehrAufmerksamkeit für den seltenen Schatz. Langfristig plant er, einzwei Fußballfelder großes Areal freizulegen und zu einer neuenAttraktion zu machen.

Viele Chemnitzer machen für die geringe Bekanntheit hausgemachteProbleme verantwortlich. «Der Wald ist das einzige ChemnitzerAlleinstellungsmerkmal von überregionaler Bedeutung und trotzdemwird es vom Stadtmarketing nur nachrangig behandelt», erbost sichetwa der Leiter des Kulturkaufhauses Tietz, Werner Rohr.

Dabei hatte der Stadtrat schon vor zwei Jahren beschlossen, denUNESCO-Welterbetitel anzustreben. Dass auf den im vergangenen Jahrim vergangenen Jahr aufgestellten touristischen Autobahnschildernder Wald nicht auftauche, war aber für viele Beleg, dass dieStadtspitze es mit ihren Bemühungen um den UNESCO-Titel nicht mehrernst meint. Dem freilich widerspricht Kultur-BürgermeisterinHeidemarie Lüth (Linke). «Wir wollen unseren Schatz als einmaligesNaturerbe positionieren.»

Eine große Vision für die Vermarktung des Waldes entwickeltenvier Chemnitzer Bürger in Eigenregie. Sie gründeten die Initiative«Waldspaziergang» und schlugen vor, die versteinerten Urwaldriesenauf einem ehemaligen Bahngeländes wieder aufzurichten. In einemVideoclip veranschaulichen sie ihre Idee von einem spektakulärenSpaziergang durch den Regenwald. «Das würde die Touristen in Scharenanlocken», meint Mitinitiator André Donath.