Geschichte Geschichte: Der Weg vom vergessenen KZ zur Muster-Gedenkstätte

Flossenbürg/dpa. - Vomoberpfälzischen Flossenbürg, dem zweiten KZ im Freistaat, sprach fastniemand. Ein halbes Jahrhundert hat es gedauert, bis auch in derkleinen Gemeinde an der bayerisch-tschechischen Grenze des Terrorsder Nazis angemessen gedacht wurde.
Mittlerweile gibt es in Flossenbürg im Landkreis Neustadt/Waldnaabeine moderne Dauerausstellung zur Geschichte des KZ. Da der Ort auchein Musterbeispiel dafür ist, wie nach dem Krieg die Hitler-Diktaturverdrängt wurde, wird im Herbst eine zweite Dauerausstellung zur Zeitab 1945 eröffnet. Zuvor ist an diesem Sonntag (25. April) einGedenkakt zum 65. Jahrestag der Befreiung von Flossenbürg geplant.
Zu der Veranstaltung werden neben Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) weitere hochrangige Redner erwartet.Darunter sind die Präsidentin des Zentralrats der Juden inDeutschland, Charlotte Knobloch, der Vorsitzende des Zentralratsdeutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sowie Bayerns InnenministerJoachim Herrmann (CSU). Eine Woche später am 2. Mai wird dann inDachau der Befreiung gedacht. Dort wird Bundespräsident Horst Köhlersprechen.
In Flossenbürg findet die Gedenkfeier im Rahmen eines Treffensfrüherer Häftlinge statt. Inzwischen kommen einmal pro Jahr dieGefangenen aus aller Welt an den Ort der Peinigungen zurück. Dabeigeht es insbesondere auch um Zeitzeugengespräche mit Jugendlichen. Inder ganzen Region gibt es dann solche Treffen in den Schulen. Zudemorganisiert die Evangelische Jugend Oberfranken parallel eineinternationale Begegnung mit jungen Menschen.
«Wir haben 150 Einladungen verschickt, und davon haben 80ehemalige Häftlinge zugesagt», sagt der Leiter der KZ-Gedenkstätte,Jörg Skriebeleit. Allerdings beeinträchtigt das Flugchaos dervergangenen Tage das Treffen der Ex-Häftlinge. Einzelne frühereGefangene mussten absagen, darunter ein inzwischen in Brasilienlebender Mann. «Für ihn ist es ein richtiges Drama», erzähltSkriebeleit. «Der weint am Telefon, er will unbedingt kommen.»
In Flossenbürg und den zahlreichen Außenlagern waren einst 100 000Menschen gefangen, davon erlebten etwa 30 000 die Befreiung durch US-Soldaten am 23. April 1945 nicht. Erst 50 Jahre später werden inFlossenbürg regelmäßige Gedenkfeiern etabliert, eine moderneDauerausstellung zum Grauen der Nazizeit wird erst 2007 in derhistorischen KZ-Wäscherei eingerichtet. Es liegt wesentlich amEngagement von Skriebeleit und seinen Mitarbeitern, dass damit ausdem einst vergessenen KZ eine Muster-Gedenkstätte geworden ist. DieForscher haben jahrelang in den Archiven jedes Blatt umgedreht und sodie Geschichte aufgearbeitet.
Inzwischen hat Skriebeleit auch den Werdegang Flossenbürgs seitdem Kriegsende untersucht. Unter dem Titel «ErinnerungsortFlossenbürg - Akteure, Zäsuren, Geschichtsbilder» hat er dazu vorwenigen Monaten ein fast 400 Seiten starkes Buch vorgelegt. Dasfrühere KZ-Gelände wurde seit Ende der 1950er Jahre mit Eigenheimenüberbaut, die wenigen verbliebenen Nazi-Gebäude wurden vernachlässigtund verfielen.
Skriebeleit sieht es als typisch für Westdeutschland an, dass Ortemit Nazi-Vergangenheit verdrängt wurden. Er nennt Neuengamme undBergen-Belsen als weitere Beispiele. Dennoch sieht er eineBesonderheit in Flossenbürg: «Dass ein Ort sehr systematisch dasGelände eines KZ- Stammlagers okkupiert, das ist schon einzigartig.»
Ab 10. Oktober soll nun dieser Aspekt der Historie mit einer neuenAusstellung dokumentiert werden. Die knapp eine Million Euro teureGeschichtsschau wird auf 500 Quadratmetern in der ehemaligenHäftlingsküche verwirklicht unter dem Namen: «was bleibt -Nachwirkungen des Konzentrationslagers Flossenbürg».