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Gerd Natschinski Gerd Natschinski: Ein Musical-König in der DDR

Von Wilfried Mommert 22.08.2008, 05:52
Der Komponist Gerd Natschinski gilt als der unumstrittene «Musical-König» der DDR (Foto: dpa)
Der Komponist Gerd Natschinski gilt als der unumstrittene «Musical-König» der DDR (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Der Komponist Gerd Natschinski war auch mitseinen Bühnenerfolgen wie «Mein Freund Bunbury» oder «MesseschlagerGisela» der unumstrittene «Musical-König» in der DDR. Und seineFilmmusik zum «Heißen Sommer» mit Chris Doerk und Frank Schöbel(«Lieb mich so wie dein Herz es mag») war Ende der 60er JahreJugendkult pur im damaligen «Arbeiter- und Bauernstaat». Am Samstag(23. August) ist Natschinski an seinem 80. Geburtstag der gefeierteJubilar bei einer großen Musical-Gala der Musikakademie Rheinsbergunter dem Motto «Bunbury und seine Freunde gratulieren!»

Mit dem 1964 komponierten Musical «Bunbury» nach Oscar Wilde schufNatschinski eines der erfolgreichsten deutschen Musiktheater-Stückeüberhaupt mit bisher mehr als 150 Inszenierungen und 6000Aufführungen im In- und Ausland in zehn Sprachen. Außerdemkomponierte er elf weitere Stücke für das Musiktheater und die Musikzu 70 Defa-Filmen wie «Revue um Mitternacht», «Reise ins Ehebett» und«Der Mann, der nach der Oma kam». Eine Musicalfassung des Defa-Musikfilms «Heißer Sommer» kam vor einigen Jahren in Rostock auf dieBühne.

«Es ist ein schönes Gefühl, wenn man sagen kann, man hat einigeSachen geschrieben, die Freude gemacht haben, die zwar modisch warenund doch eine gewisse Zeitlosigkeit haben, das ist eigentlich eineGnade, auch wenn einem nicht alles gelungen ist», meinte Natschinskidieser Tage in Berlin. Und wohl kaum ein anderer zeitgenössischerKomponist hat es wohl bei den Drehorgelspielern der Nachkriegszeit ander Schönhauser Allee im Berliner Osten geschafft, neben Paul Linckeund Walter Kollo auf den Musikwalzen verewigt zu werden. EinenGeburtstagswunsch hat Natschinski auch: «Ich würde mich freuen, wenndie deutsche kulturvolle Unterhaltungsmusik, die eine Brücke schlägtzwischen der sogenannten E- und U-Musik, wieder etwas mehr Beachtungfinden würde.»

Natschinski schrieb Orchesterwerke, Lieder, Schlager und Chansons,von denen zum Beispiel «Damals» und «Treu sein muss ein Mann» oder«Zwei gute Freunde» zu Evergreens in Ostdeutschland wurden. AuchNatschinskis Kinderlieder wie «Blaue Wimpel im Sommerwind» und «DieHeimat hat sich schön gemacht» wurden viel gesungen oder auchstaatlich unterstützt populär gemacht.

Als ein «Zeitstück im sozialistischen Sinne» wurde das LeipzigerNatschinski-Musical «Messeschlager Gisela» 1960 am OstberlinerMetropol-Theater uraufgeführt und von vielen DDR-Theatern auchnachgespielt. Nach der Wende erzielte 1998 eine schräge Neufassung ander Neuköllner Oper in Berlin einen großen Erfolg. In der DDR war dasStück damals nach etwa 700 Aufführungen landesweit aber plötzlich auf«Berliner Anweisung von ganz oben», wie sich Natschinski heuteerinnert, wieder abgesetzt worden.

«Ein unfähiger Firmendirektor, der mal ein guter Buchhalter war,wird zum Modezar gemacht, er lebt das sehr selbstgefällig aus undwird schließlich von seiner Belegschaft zum Rückzug gedrängt», fasstNatschinski den Inhalt seines Musicals zusammen. «Das ganze war inMesse, Mode, Frauenmacht und FDJ verpackt, aber nach dem Mauerbau1961 in Berlin stieß das einigen Parteifunktionären sauer auf.»

Der am 23. August 1928 in Chemnitz geborene Natschinski überlebtemit 17 Jahren die Zerstörung Dresdens. Nach dem Krieg studierte erzunächst in Dresden, später war er in Berlin auch Meisterschüler vonHanns Eisler. Mit 20 Jahren gab er in Leipzig bereits Konzerte. «Meineigentlicher Entdecker ist der Mitteldeutsche Rundfunk» wird erspäter sagen - und mit 24 Jahren wird Natschinski 1952 Chefdirigentdes Großen Tanz- und Unterhaltungsorchesters beim (Ost-)BerlinerRundfunk. 1978 war er für drei Jahre auch Intendant des Ost-BerlinerMetropol-Theaters, dem Operetten- und Revuetheater am BahnhofFriedrichstraße. Natschinski wurde mit dem Nationalpreis der DDRausgezeichnet und war auch Mitglied der Ostberliner Volkskammer.