Gentleman Gentleman: Vielfalt als Ideal
Hamburg/dpa. - «Diversity» - Vielfalt: Was für ein schönes Ideal, dem sich Gentleman mit seinem fünften Studioalbum verschreibt. Und das meint nicht nur die Texte, sondern auch die Musik.
Der 34-Jährige erinnert uns daran, dass Jamaika in Deutschland für viel mehr stehen kann als nur für eine derzeit aktuelle politische Konstellation.
«Ich habe mich bei "Diversity" mal ausgetobt», sagte der Musiker im Gespräch mit dpa audio & video, dem Audio- und Videodienst der Nachrichtenagentur dpa. «Ich habe dieses Entweder-oder-Denken ein bisschen abgelegt, das ich vielleicht vorher hatte.» 22 Titel hat der gebürtige Osnabrücker (bürgerlich: Tilmann Otto) auf sein neues Album gepackt.
Roots-Reggae und die Wurzeln der jamaikanischen Musik blieben zwar seine große Liebe. Aber er habe bewusst auch Dancehall-Tracks dabei, etwa «To The Top», in dem man ja fast von Euro-Dance-Elementen sprechen könne, sagt er. Da hat er Recht. Der Drumcomputer-Stil-Beat tickert hier durch, dass es fast schon ein bisschen wie die Musik klingt, die in manchen günstigen Jugendmode-Ketten gerne ohrenbetäubend laut läuft.
An «Different Places», einen der besten Tracks des Vorgängeralbums «Another Intensity», reichen einige der neuen Songs leider nicht heran. «Open up another chapter» - ein neues Kapitel will Gentleman öffnen, singt er. Und das ist diesmal gefüllt mit elektronischen Einflüssen. «Diversity» ist poppiger, und Gentleman kommt mit viel Verve zurück. Aber er kann auch leise und gefühlvoll, wie er etwa im Duett mit der Soul-Sängerin Cassandra Steen für die Ballade «Thinking About You» beweist.
Die Songs sind auf Jamaika und in seinem Kölner Studio entstanden, sagt der 34-Jährige. Musikalisch ist das kaum auszumachen. «Lonely Days» etwa klingt einfach typisch nach Gentleman - und das ist auch gut so, denn bei ihm ist eben beides drin, Deutschland wie Karibik. Aber er sagt auch: Es kann nicht immer nur Sonnenschein sein. «Dieses Klischee, dass Reggae dieses Summer Feeling ist» - dagegen wehrt er sich. «Ich bin auch schon gefragt worden: "Ey, was machst Du denn im Winter?".» Und das wird deutlich in Stücken wie «I Got To Go» - Abschiedsschmerz, wie ihn jeder kennt.
Die Zeiten, in denen deutsche Reggae-Künstler belächelt wurden, sind lange vorbei. So gehört der 34-Jährige seit Jahren - wie auch dieses Jahr - zu den Headlinern beim größten deutschen Reggae-Open- Air, dem «Summerjam» in Köln. Gentleman möchte aber nicht nur von seinen Fans gehört werden, er hat eine Botschaft über die Musik hinaus, auch wenn «nicht jeder Song 'ne tiefe Message haben muss», wie er sagt.
Gentleman hat politischen Anspruch: «It No Pretty» soll ein Zeichen gegen Gewalt setzen. Im Video ist zu sehen, wie der Sänger in einer U-Bahn-Station brutal zusammengeschlagen wird. Das weckt Erinnerungen an die Zwischenfälle in München, bei denen zuletzt Dominik Brunner zu Tode geprügelt wurde. «Ich mache Musik über das, was mich beschäftigt. Ich habe zwei Kinder und sehe auch, was auf den Schulhöfen so passiert.»
«Die Probleme sind, glaube ich, überall gleich, es gibt nur andere Formen», sagt der 34-Jährige dabei zum Unterschied zwischen seiner zweiten Heimat Jamaika und Deutschland. Gewalt sei im Inselstaat auch an der Tagesordnung, aber eben anders als hierzulande. «Die prügeln nicht so wie hier, die schießen eher.»
Nur drei Wochen nach der Veröffentlichung des Albums kommt Gentleman auf Tour - und kann es nach einem halben Jahr Pause kaum erwarten, wieder live zu spielen, wie er sagt. Sie startet am 28. April in Hamburg.