Generation Greta Generation Greta: Ist die Politik am Ende?

Halle (Saale) - Politik ist, wenn man trotzdem lacht. Das ist die heitere Definition, die auch etwas für sich hat angesichts des Gewürges, das auf den Bühnen von Berlin, Brüssel oder Washington zuweilen geboten wird. Denken wir nur an das Klimapaket der deutschen Bundesregierung, das nach langem Hin und Her endlich doch noch geschnürt wurde.
Manchem erscheint es viel zu groß, andere nennen es spöttisch ein Klimapäckchen. Dafür sprächen die günstigeren Versandkosten, um im postalischen Bild zu bleiben.
Kompromisse für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: Ein teurer Spaß?
Wenn dann die Politik von ganz oben bis hinunter ins Land, wo man sich natürlich um die Zukunft seiner Leute sorgen muss, in der Braunkohle plötzlich ein Thema erkennt, das alles andere in den Schatten stellt, wird das Anliegen nicht glaubwürdiger.
Als seinerzeit, vor knapp 30 Jahren, die chemische Großproduktion im Osten unter anderem aus nachvollziehbaren ökologischen Interessen über die Wupper ging, aber auch deshalb, weil man sie in diesen Dimensionen nicht mehr wirtschaftlich betreiben konnte im vereinten Deutschland, hat der Aufschrei ein weniger starkes Echo gehabt.
In jedem Fall aber war und ist in solchen Fällen die Politik gefragt. Ernsthaft erklärt, wie es im Online-Lexikon Wikipedia nachzulesen ist, hat sie sich um „die Regelung der Angelegenheiten eines Gemeinwesens durch verbindliche Entscheidungen“ zu kümmern. Gut geraten sind diese immer dann, wenn einem dabei das Lachen nicht vergeht. Kommt man aber aus dem Lachen gar nicht mehr heraus, ist auch irgendetwas schiefgegangen.
Politik kann es nicht jedem recht machen: Fantasie ist gefragt
Natürlich kann es Politik nicht jedem recht machen. Muss sie auch gar nicht. In der Demokratie geht es um Mehrheiten, die man finden - und zufrieden stellen muss. Damit das Geschäft funktioniert, braucht es Kompromissfähigkeit. Und auch Fantasie.
Die wird im Allgemeinen eher in das Feld der schönen Künste verwiesen und gilt dementsprechend als Luxus. Also ein teurer Spaß, den man sich in der Politik nicht leisten kann? Vielleicht ja doch.
Dieser Tage wird zum Beispiel viel über die Halbwertzeit der Großen Koalition (GroKo) in Deutschland nachgedacht. Die Vernunftehe von Christdemokraten und -sozialen mit den Sozialdemokraten ist zerrüttet, mehr oder weniger heimlich liebäugeln die lieblosen Partner mit anderen Betten, in denen man vielleicht glücklicher läge.
Aber das Angebot am parteipolitischen Heiratsmarkt ist, milde gesagt, übersichtlich, will man von einem schwarz-grünen Flirt absehen, der ins Spiel gebracht wird und vielleicht wirklich eine Option darstellen könnte.
Das werden die Wählerinnen und Wähler zu entscheiden haben. Sicher ist: Nach neuen Wegen zu suchen, ist eine Aufgabe der Politik. Irrtümer dürfen vorkommen dabei, weil Politik von Menschen gemacht wird. Und Fehler gesteht man dann besser ein, als sie lächelnd auszusitzen, wie es Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer mit seiner vergurkten PKW-Maut auf deutschen Autobahnen versucht.
Politischen Beobachtern entlockt die GroKo meist nur noch Stoßseufzer. Eine ARD-Kommentatorin stellte dieser Tage in einem Radiobeitrag fest, wie traurig es um die Regierenden im Lande bestellt sei, ließe sich allein schon daran ermessen, dass erst junge Amateure kommen und lauthals protestieren müssten, um den Profis in Berlin klimamäßig Beine zu machen.
Das mag ja so gewesen sein. Aber der Argumentation liegt ein Reflex zugrunde, der ganz und gar altem Denken entspringt: Ich habe gewählt, nun sollen die mal machen - schließlich bekommen sie vom Steuerzahler auch nicht zu wenig Geld dafür!
Die Regeln müssen sich ändern, um die Welt zu retten
Nicht alles, was die schwedische Schülerin Greta Thunberg sagt, die an diesem Freitag 17 Jahre alt wird, gehört in Stein gemeißelt. Und manchmal, wenn sie die Alten zu arg beschimpft, wehren sich diese inzwischen auch gegen den Generalverdacht, bornierte, gleichgültige Klimakiller zu sein.
Aber diesen Satz, den Greta Thunberg 2018 in Helsinki sagte, sollten ältere Semester sofort unterschreiben können - und Gretas junge Sympathisanten mögen sich an ihn erinnern, wenn sie selbst gesetzter geworden sein werden: „Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern, und zwar heute.“
Nichts als Aktionismus? Am Ende kannibalisiert sich der Kapitalismus selbst
Heute ist hier natürlich symbolisch zu verstehen. Aber unendlich viel Zeit haben wir tatsächlich nicht mehr, das Gemeinwesen auf Vordermann zu bringen. Nicht nur, was das Klima betrifft. Oder wird das alles nur durch den wohlfeilen Alarmismus aufgeregter Teenager in den Mittelpunkt gerückt und ist in Wirklichkeit gar nicht so schlimm: Waldsterben, Dürre, Brände und Hitze?
Und wie sieht es mit Gier, postkolonialer Ausbeutung, immer neuen Kriegen, Hunger, fehlenden Bildungschancen und Flüchtlingselend aus? Die westlichen Werte, deren Annehmlichkeiten die lautstarken Freunde abendländischer Kultur so überaus schätzen und vor dem hungrigen Rest der Welt verteidigen wollen, unterliegen doch längst einer galoppierenden Inflation.
Geht es auch nur linear so weiter, dürfte sich der Kapitalismus am Ende selbst kannibalisieren. Keine angenehme Vorstellung, dies zu erleben. Da ist es vielleicht doch besser, man denkt über eine Änderung der Regeln nach. Bevor es zu spät dafür ist. (mz)
