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Gedicht-Film Gedicht-Film: Kinostart 08. Mai: Neuartiges Projekt «Poem»

Von Johannes von der Gathen 04.05.2003, 16:11
Regisseur Ralf Schmerbergs erster abendfüllender Kinofilm ist eine Hommage an das deutsche Gedicht: Neunzehn Gedichte werden in ebensoviele Episoden umgesetzt. Schauspieler wie Meret Becker (Bild) oder Klaus Maria Brandauer übernahmen das Rezitieren der Texte von Goethe über Hermann Hesse bis zu Heiner Müller. Starttermin des Films ist der 8. Mai 2003. (Foto: dpa)
Regisseur Ralf Schmerbergs erster abendfüllender Kinofilm ist eine Hommage an das deutsche Gedicht: Neunzehn Gedichte werden in ebensoviele Episoden umgesetzt. Schauspieler wie Meret Becker (Bild) oder Klaus Maria Brandauer übernahmen das Rezitieren der Texte von Goethe über Hermann Hesse bis zu Heiner Müller. Starttermin des Films ist der 8. Mai 2003. (Foto: dpa) Ottfilm

Hamburg/dpa. - Entstanden ist so eine naturgemäß extrem subjektiv gefärbte,poetische Wundertüte in einer bunten Kompilation von Kurzfilmen, dieimmer auch eine Art Interpretation zum gelesenen Text mitliefern.Umrahmt wird diese filmische Anthologie, die am 8. Mai in dendeutschen Kinos anläuft, von betörend schönen Bildern aus demnepalesischen Hochland.

Mit Gedichten um die Welt reisen: In Island steht dieSchauspielerin Luise Rainer an einem malerischen Wasserfall und liestGoethes «Gesang der Geister über den Wassern». Auf einem Balkon inRio mit Blick aus die Copacabana rezitiert Márcia Haydée in derSilvesternacht Else Lasker Schülers «An den Ritter aus Gold«. Zweiblinde Brüder machen Urlaub in Vietnam, dazu liest Hannelore Elsner«Aus!« von Tucholsky. Ein wenig beliebig und wenig originell wirktdas schon. Was hat Paul Celans hermetisches Gedicht «Tenebrae« mitden Furcht einflößenden Karfreitagsprozessionen in Andalusien zu tun?

Einen Film wie «Poem« kann man mögen oder auch ganz furchtbarfinden. Man wird den Verdacht nicht los, dass Regisseur SchmerbergPoesie vor allem mit vagen Emotionen gleichsetzt. Dazu passt dann derMärchenonkel Hermann van Veen ebenso wie Meret Becker als Zirkusfee.Dass Gedichte auch ein Mittel der Erkenntnis sein können, wird indiesem netten Bilderbogen viel zu selten deutlich. Wenn Klaus MariaBrandauer ganz einfach nur Heines «Der Schiffbrüchige» eindringlichrezitiert - die Kamera bleibt ganz unbewegt - dann spürt man etwasvon der Kraft der Verse. Und dies ganz ohne exotische Staffage oderdröhnenden Soundtrack.

Andere Episoden sind schon heikler. Da wandelt David Bennent inaller Herrgottsfrühe in einer Ritterrüstung an einer Stadtautobahnentlang und rezitiert Georg Trakls «Morgenlied»: «Nun schreite herab,titanischer Bursche/und wecke die vielgeliebte Schlummernde dir». Einsolcher Auftritt wirkt dann schon befremdlich, mitunter unfreiwilligkomisch, auch der Schauspieler selbst war irritiert: «Warum derSchmerberg bei Trakl diesen Ritter auf der Autobahn gesehen hat, weißich nicht, verstehe ich nicht, ist mir absolut schleierhaft. Aber ichwerde jetzt nicht versuchen, es zu verstehen, ich lasse mich einfachhineinziehen in dieses eigenartige Bild, in diese eigenartige Sprachemit diesem Gedicht».

Vielleicht sollte man es als Zuschauer genauso so halten. Man musssich einlassen auf die meditative, mitunter pathetische Atmosphäre,die sich wie ein roter Faden durch «Poem» zieht. Mit Sicherheitfindet jeder auf diesem lyrischen Grabbeltisch Gedichte, die eslohnen, nach dem Kinobesuch gelesen zu werden.