Gedenkstätte Buchenwald Gedenkstätte Buchenwald: Steine des Erinnerns

weimar/buchenwald/MZ - So kann man auch mit dem finstersten Kapitel der deutschem Geschichte umgehen: in bestem Sinne unbefangen und gerade deshalb mit großem Respekt. Junge Leute holen die Namen und Lebenswege der Opfer ans Licht und geben ihnen so ihre Würde zurück. Es müsste schon ein sehr hartherziger Mensch sein, den das nicht rührte.
Auf dem Ettersberg bei Weimar nimmt eben ein Projekt Gestalt an, das in Zusammenarbeit mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste gestaltet wird und einmal mehr das kluge, genaue und einfühlsame Wirken der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora beweist. Zugleich liefert es aber auch einen Beleg dafür, dass die Arbeit des Erinnerns von zunehmend vielen Bürgern als selbstverständlich angenommen und mitgetragen wird.
200 Gedenksteine sollen am Sonntag eingeweiht werden, aufgereiht am Rande eines Weges, der selber ein Denkmal ist. Die Steine tragen die Namen der 200 Kinder, sämtlich aus Sinti- und Roma-Familien stammend, die am 25. September 1944 vom Konzentrationslager aus mit der Bahn nach Auschwitz gebracht wurden. Dort sind sie, offenbar ausnahmslos, unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet worden.
Makaber ist, dass die Kinder eben von dort, aus dem aufgelösten „Zigeunerlager“ in Auschwitz, nach Weimar gekommen waren, weil die SS sie als noch arbeits- oder richtiger: als ausbeutungsfähig eingestuft hatte. In Buchenwald kam die Lagerführung offensichtlich zu anderen Schlüssen und fällte das Todesurteil über die Kinder und Jugendlichen. Vier Waggons wurden bei der Deutschen Reichsbahn für den Transport bestellt und mit deutscher Pünktlichkeit auf das Gleis der Buchenwaldbahn geschoben, die Unterlagen sind noch auffindbar.
Nun sind es Jugendliche aus Bulgarien, China, Russland, der Ukraine, Weißrussland und Deutschland, die sich in einem Workcamp zusammengefunden haben und gemeinsam am Gedenkweg, der Trasse der ehemaligen Buchenwaldbahn, und an den Steinen für die Getöteten arbeiten.
Fröhliche, dem Leben zugewandte Menschen sind das, die hier täglich bis zum Mittag die Namenszüge der Opfer in Stein meißeln und die Schrift farbig kenntlich machen. Eine ungewohnte, durchaus schwere Arbeit, obendrein im dichten Wald, von Mücken umsurrt.
„Es ist ja auch meine Geschichte“, sagt Jette auf die Frage, weshalb sie hier ist. Dann, nach einer kurzen Pause, fügt die Gymnasiastin aus Mecklenburg-Vorpommern hinzu, sie hätte es immer noch nicht vollends realisiert, „dass es gerade hier passiert ist“.
Betreut werden die 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Camps von Anke Kronshage, die von Anfang an dabei ist, so lange es das Projekt Gedenkweg Buchenwaldbahn gibt. Sie hatte gegen Ende ihres Pädagogikstudiums von der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste gehört und fand, dass dort ihr Platz ist. Nun arbeitet sie seit sechs Jahren schon mit an dem Erinnerungsort auf dem Ettersberg.
Noch länger hat Heiko Clajus damit zu tun: Von ihm ging die Initiative für den Gedenkweg aus. Angeregt von Beate und Serge Klarsfeld, die mit dem „Zug der Erinnerung“ auf die Schicksale deportierter Kinder aufmerksam gemacht hatten, setzte er sich mit aller Kraft dafür ein, die Stadt Weimar half mit.
Wer will, kann selber mittun: Für jedes der weiteren zur Vernichtung geschickten Opfer aus Buchenwald soll es einen Gedenkstein geben, jedermann ist eingeladen, an einem Wochenende einen solchen Stein zu bearbeiten. Ab Sonntag, wenn der Gedenkweg eröffnet wird, soll eine neue Website das Projekt vorstellen und auch die Namen und Biografien der 200 Buchenwald-Kinder verzeichnet, die als erste in den Tod geschickt wurden. 2 000 waren es insgesamt. So wird es noch viele Helfer brauchen. Steine gibt es genug.
Das Projekt im Netz: www.gedenksteine-buchenwaldbahn.de
