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Geburtsstadt Geburtsstadt: Karl Marx ist in Trier noch ziemlich lebendig

Von Birgit Reichert 11.03.2008, 15:57
Das Karl-Marx-Haus in der Brückenstraße 10 in Trier, aufgenommen am Dienstag (11.03.2008). In dem Geburtshaus des revolutionären Denkers befindet sich heute das Karl-Marx-Museum der Friedrich-Ebert-Stiftung. (Foto: dpa)
Das Karl-Marx-Haus in der Brückenstraße 10 in Trier, aufgenommen am Dienstag (11.03.2008). In dem Geburtshaus des revolutionären Denkers befindet sich heute das Karl-Marx-Museum der Friedrich-Ebert-Stiftung. (Foto: dpa) dpa

Trier/dpa. - Letztes Jahr kamen mitmehr als 42 000 Gästen so viele wie nie zuvor ins Museum Karl-Marx-Haus, um sich über Leben und Wirken des Weltveränderers zuinformieren - die größte Pilgerschaft darunter mit 12 000 Besuchernaus China. Das Marx'sche Jubiläumsjahr, in dem am 5. Mai auch an den190. Geburtstag des Philosophen erinnert wird, hat in Trier erkennbarneues Interesse an dem Rauschebart entfacht und Wissenschaftler,Künstler und Filmemacher auf den Plan gerufen.

So hat Professor Yong Liang an der Universität Trier diechinesischen Einträge in den Gästebüchern des Karl-Marx-Hauses dervergangenen 30 Jahre untersucht. Und herausgefunden: «Die Chinesensind deutlich lockerer und nachdenklicher geworden.» In den 1980erund 1990er Jahren standen vor allem politische Parolen wie «Langelebe der Marxismus» oder Huldigungen wie «China ist dein Zuhause,komm mal vorbei» in den Büchern. Seit 2000 gebe es auch persönlicheDialoge mit Marx und Kritisches wie «Du hast 1,3 Milliarden Menschengroßen Schaden zugefügt». Generell gelte aber: «Der Besuch in Trierist es eine Art Pilgerfahrt für die Chinesen, mit der oft einKindheitstraum in Erfüllung geht», sagte Liang. Seine Untersuchungvon mehreren 10 000 Einträgen ist noch unveröffentlicht.

Die chinesischen Reisegruppen hinterlassen in der Geschäftsweltder 100 000-Einwohner-Stadt an der Mosel deutliche Spuren. VieleGeschäfte in Trier locken die Gäste aus Fernost mit Tür-Aufklebern inchinesischer Sprache an, die übersetzt heißen: «HerzlichenWillkommen. Viel Spaß bei Ihrem Einkauf.» Auch mit rotem Karl-Marx-Wein (Spätburgunder) versucht die Stadt, aus Karl Marx Kapital zuschlagen. Chong aus dem chinesischen Souvenirladen um die Ecke desGeburtshauses verkauft manchmal zehn Karl-Marx-Büsten auf einmal.Aber auch Schweizer Messer, Kuckucksuhren und Kochtöpfe gehen beiihrer ausschließlich chinesischen Kundschaft gut. Marx verbrachte dieersten 17 Jahres seines Lebens in Trier.

«Wir sind stolz, dass ein weltweit bedeutender Philosoph hier indieser Stadt gelebt hat. Was andere aus dem gemacht haben, was erpropagiert hat, ist eine andere Frage», sagt Triers OberbürgermeisterKlaus Jensen (SPD). Um Marx und seine Ideen neu aufzuarbeiten, zeigtdie Stadt zum 125. Todestag von Marx in einer Erstaufführung den Film«Karl Marx - ein Philosoph macht Geschichte». Das knapp einstündigeDokudrama, das die beiden Trierer Brüder Gernot und Carsten Jaegergedreht haben, zeigt das Leben des «Kapital»-Verfassers zwischenTrier, Berlin, Paris und London.

«Der Film ist der Versuch, den Menschen hinter der Ikone zuzeigen», sagte Fernsehjournalist Gernot Jaeger (32), der in Bonn beider Deutschen Welle arbeitet. Vielfältig die Kommentare im Film: «Ichhabe mit der Philosophie von Karl Marx nie so sehr viel anfangenkönnen. Schon gar nicht mit den Antworten, die er gegeben hat, schoneher mit den Analysen», sagt SPD-Vorsitzender Kurt Beck. Und BernhardVogel (CDU), ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz undThüringen, meint: «Seine Analysen über die Gegenwart zu seiner Zeit,die waren zutreffend. Seine Zukunftsperspektiven nicht.»

Das Interesse an Marx wächst wieder, sagt die Leiterin des Museumsund Studienzentrums Karl-Marx-Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung(FES) in Trier, Professorin Beatrix Bouvier. «Etwas, was totgeglaubtwurde, lebt wieder auf.» Sie findet gut, dass die junge Generation«völlig unbefangen und unbelastet» an den Klassiker Marx herangehe.Dabei entstünden neue Blickwinkel mit völlig anderen Fragen.

Die aktuelle politische Diskussion, in der der Name Marx immerwieder fällt, hat den Künstler Klaus Kammerichs im Eifelort Demerathinspiriert. «Die Raubkapitalismus-Diskussion zeigt, dass Marx immerwieder auftaucht», sagt er. In seinem Atelier fertigt er dreilebensgroße Karl-Marx-Figuren aus Edelbeton an, die im Garten desMarx'schen Geburtshauses versteckt aufgestellt werden sollen. Unterdem Motto «Ein Gespenst geht um» sollen die Güsse die Besucher beiihrem Gang durch den Innenhof «überraschen und ein bisschenerschrecken», sagt der Künstler.