Gabriele Münter Gabriele Münter: Leuchtkraft der Bilder löscht Schatten des Vergessens
CHEMNITZ/MZ. - So ist der deutschen Malerin Gabriele Münter erst in hohem Alter, beginnend in den 1950er Jahren in der Bundesrepublik, die gebührende Ehre erwiesen worden, nachdem sie zuvor 20 Jahre lang völlig zurückgezogen in ihrem Haus im oberbayerischen Murnau gelebt hatte.
Im Osten indes hat es noch Jahrzehnte länger gedauert mit der (Wieder-)Entdeckung Münters, der neben Paula Modersohn-Becker bedeutendsten Vertreterin der Klassischen Moderne in Deutschland. Keines ihrer Werke, die in den Jahren von 1933 bis 1935 immerhin noch gezeigt werden durften, darunter in Jena, Eisenach und Altenburg, befand sich in den Vorkriegsbeständen eines DDR-Museums. Natürlich konnte für Ostgeld auch keines angekauft werden.
So ist dem Mäzen und Sammler Alfred Gunzenhauser und der Stadt Chemnitz, die seinem Kunstschatz ein eigenes Haus gestiftet hat, einmal mehr zu danken - Gunzenhauser zumal für seine Weitsicht, nicht nur Einzelstücke, sondern ganze Werkgruppen von Künstlern, darunter von Gabriele Münter, zu erwerben, die einen Entwicklungsüberblick vermitteln können.
Das Hauptereignis dieser Sonderschau im Museum Gunzenhauser ist denn auch der Auftritt der Bilder, deren Leuchtkraft den Schatten des Vergessens einfach löscht. Man muss sich freilich fragen, weshalb die Münter so lange unterschätzt und letztlich wohl mehr als ein Anhängsel ihres berühmten Kollegen und langjährigen Lebensgefährten Wassily Kandinsky angesehen worden ist.
Dass der Weg Gabriele Münters bis zur Anerkennung ihrer künstlerischen Eigenart so beschwerlich war, ist zuerst natürlich den Zeitumständen geschuldet: Als sich die talentierte junge Zeichnerin Ende des 19. Jahrhunderts aufmachte, das nötige Handwerk zu erlernen, waren Frauen an deutschen Kunstakademien schlicht noch nicht zugelassen. Und private Institute, in denen sich gebildete, schöngeistige Damen zum Zeichnen und Malen versammeln durften, erfüllten oftmals nur Ansprüche für den gehobenen Hausgebrauch - nicht aber für eine junge Frau wie Münter, die Kunst als Prozess des Entdeckens und Veränderns begriff.
1901 zog Gabriele Münter nach München. Dort setzte sie ihr Studium an der Malschule des Künstlerinnen-Vereins fort und wechselte dann an die private Kunstschule Phalanx. Dort traf sie den russischen Maler Kandinsky, selbst noch ein Suchender, mit dem sie sich zwei Jahre später heimlich verlobte - wohl wissend, dass ihr Geliebter noch nicht von seiner Frau geschieden war. Später, bis 1916, lebten sie offen und unverheiratet miteinander: was für ein schöner Skandal! Die Jahre mit Kandinsky, ihre Reisen und die gemeinsame Arbeit in der avantgardistischen Künstlergruppe Der Blaue Reiter, haben Münter geprägt - und eine rasante Entwicklung nehmen lassen, die von impressionistisch inspirierten Arbeiten wie dem 1906 in Frankreich gemalten Ölbild "In Sèvres" bis zu den wenige Jahre später entstandenen, farbstarken, im Stil verknappten, abstrakten Werken führt.
"Seenlandschaft mit drei Kugelbäumen" (um 1909) ist ein markantes Beispiel für diese Veränderung in der Sicht auf die Dinge - die Dinge selbst, die Natur, hat der veränderte Blick dabei nur umso prägnanter hervortreten lassen.
Gabriele Münter hat nach der Abkehr Kandinskys zwar ungebrochen weitergemalt, aber sie hat auch Jahre schwerer Einsamkeit und der Flucht ins Private erlebt. Die NS-Zeit überstand sie halb angepasst und von künstlerischer Brotarbeit lebend in Murnau. Als man sich ihrer erinnerte, war sie eine alte Frau.
Museum Gunzenhauser Chemnitz, bis 19. April, Di-Fr 12-19, Sa / So / feiertags 11-19 Uhr, am 24. und 31. Dezember geschlossen; Eintritt: 7, ermäßigt 4 Euro