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«Frühlings Erwachen» als Musical in Wien

Von Christian Fürst 26.03.2009, 14:08

Wien/dpa. - Erste Liebe, erwachende Sexualität, Probleme mit überholten Moralvorstellungen einer repressiven Gesellschaft: «Frühlings Erwachen», das vor rund 100 Jahren uraufgeführte Jugend-Drama von Frank Wedekind, bietet in Zeiten jugendlicher Amokläufer und Koma-Trinker noch genügend Aktualität.

Seine deutschsprachige Erstaufführung erlebte das Stück als Musical im Wiener Ronacher-Theater Im Frühsommer wird es im Düsseldorfer Capitol-Theater zu sehen sein. Doch die vom Wiener Publikum gefeierte Premiere hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck.

Stephen Sater (Buch und Songtexte) und Duncan Sheik (Musik) unternahmen vor nunmehr drei Jahren den überaus erfolgreichen Versuch, das gesellschaftskritisch-satirische Skandaldrama der Jahrhundertwende in einem New Yorker Non-Profit-Theater als Rock- Musical populär zu machen. «Spring Awakening» wurde gefeiert und mit acht Tony-Awards ausgezeichnet.

«Frühlings Erwachen» kreist um die drei Jugendlichen Moritz, Melchior und das Mädchen Wendla, die in der schwierigen Zeit ihrer überschwänglichen Gefühle von der Erwachsenenwelt nicht nur alleingelassen, sondern von der Gesellschaft unterdrückt werden. Der introvertierte Moritz geht daran zugrunde und begeht Selbstmord. Wendla wird von dem Rebellen Melchior schwanger und stirbt nach einer Abtreibung bei einer Engelmacherin. Der robuste Melchior denkt danach kurz an Selbstmord, entscheidet sich schließlich aber für das Leben.

Wie in der New Yorker Originalfassung versucht Regisseur Michael Mayer auch in Wien, dem Original von Wedekind, das wegen seiner Brisanz erst 15 Jahre nach seinem Entstehen in Berlin auf die Bühne kam, szenisch möglichst treuzubleiben. Doch auf der bewusst verkleinerten Bühne des Wiener Ronacher-Theaters führt dies vor allem im ersten Akt immer wieder zu ungewollter Komik, die der Intention Wedekinds kaum entspricht.

Die männlichen Darsteller wirken aus den Kostümen von Susan Hilferty «herausgewachsen», während die pubertierenden Mädchen zu kindlich erscheinen. Einige der Schulszenen erinnern so eher an die «Feuerzangenbowle» und werden immer wieder mit herzlichem Lachen des Publikums quittiert. Nur ganz wenige Andeutungen im Bühnenbild (aufflackernde Neonleuchten) erinnern daran, dass Pubertät und Erwachsenwerden auch ein besonders aktuelles Thema sind. Anspielungen an die schwierige Situation heutiger Jugendlicher sind höchst selten. Deutlich stimmiger wird das Musical im zweiten Akt, in dem sich die Ereignisse dramatisch zuspitzen.

Die Inszenierung von Michael Mayer konzentriert die Handlung auf eine kleine Plattform in der Mitte der Bühne. Sie wird rechts und links von Tribünen begrenzt, auf denen Publikum und Schauspieler platznehmen. Die begleitenden Musiker sitzen im Hintergrund. Die Bühne selbst wird wirkungsvoll umgrenzt von hohen, abweisenden Backsteinmauern, die an die Wände von Schulen und Internaten des 19. Jahrhunderts erinnern. Der Bewegungsraum für die handelnden Personen wirkt dadurch so eng wie die gesellschaftlichen Zwänge, in denen sie sich bewegen.

Musikalisch kann «Frühlings Erwachen» überzeugen, auch wenn ein zum Nachsingen anregender Song unter den rund 20 Titeln fehlt. Die Stücke, so Regisseur Mayer, sollen in dem Musical nicht die Handlung vorantreiben, sondern die Handlung ergänzen. Dies gelingt Duncan Sheik besonders gut vor allem in den lyrischen, fast kammermusikalisch klingenden Passagen der Duette. Wer hier einen typischen Musical-Sound sucht, könnte aber enttäuscht werden. Mitreißend sind die zum Teil an Bernsteins «West Side Story» erinnernden Choreographien von Bill T. Jones. Viel Beifall am Schluss für die drei jungen Hauptdarsteller, die beiden Deutschen Wolfgang Türks (Moritz) und Rasmus Borkowski (Melchior) und die überzeugende Linzerin Hanna Kastner als Wendla.

www.musicalvienna.at