Friedrich Schiller Friedrich Schiller: Theater an der Teemaschine
WEIMAR/MZ. - WEIMAR / MZ- Die letzte war seine schönste Wohnung, zugleich das einzige Wohnhaus, das Friedrich Schiller (1759-1805) jemals besessen hat. Am 29. April 1802 notierte der Dichter in seinem Kalender: "Heute bin ich in unser neues Haus eingezogen". Kein leichter Tag, denn er fügte hinzu: "Und starb meine Mutter in Schwaben, 68 Jahre und 4 Monate" alt. Der Einzug in das Haus an der Weimarer Esplanade und die Nachricht vom Todesfall: "Man kann sich nicht erwehren, von einer solchen Verflechtung der Schicksale schmerzlich angegriffen zu werden", schrieb Schiller kurz darauf an Goethe.
Denn Schwaben, das war ein trauriger Klang von weither. Der Tod der Mutter die Lösung des letzten Bandes, das den Sohn mit seiner Heimat verband. Nie hätte es Schiller nach Thüringen getrieben, nie wäre das Haus an der Esplanade ein Schiller-Haus geworden, hätte nicht der Künstler das von Stuttgart aus regierte Württemberg 1782 heimlich bei Nacht verlassen.
Der herzogliche Eliteschüler seinerzeit, der sich statt befehlsgemäß auf die Militärmedizin zu konzentrieren, auf das Verfassen von Theaterspielen verlegte. Der sein Sturm-und-Drang-Drama "Die Räuber" im kurpfälzischen Ausland ohne Erlaubnis zur Uraufführung brachte. Vom Zorn des Landesvaters getrieben, hatte der 22-Jährige über die Grenze zu fliehen, hinter der er für immer Mutter und Vater zurückließ. Schiller: ein Dissident, der sich selbst ausbürgerte. An diese Ereignisse muss erinnert werden, wo von Schiller in Mitteldeutschland gesprochen werden soll. Und so heißt folgerichtig die neue Dauerausstellung, die in das Weimarer Wohnhaus des Dichters einführt: "Schiller in Thüringen".
Man reagiert doch eher skeptisch, soll aus einem regionalen Besitzerstolz heraus ein Kapitel europäischer Geistes- in Landschaftsgeschichte übersetzt werden. Aber die von den Klassik-Stiftungs-Mitarbeitern Ernst-Gerhard Güse und Jonas Maatsch gestaltete neue Schiller-Schau erweist sich als ein Glücksfall. Von der Verkleinerung irgendeines Gegenstandes kann hier gar keine Rede sein. Statt dessen von dem so seltenen Fall, dass die richtigen sachlichen Schwerpunkte mit den richtigen Bildern, Dokumenten und Zitaten verbunden werden. Sparsam und vornehm, immer an-, sogar aufregend.
Maximilian Stielers Gemälde "Schiller auf der Flucht mit seinem Freunde Streicher" (1850), eine Radierung von 1781, die den Dichter mit einer Szene aus "Die Räuber" zeigt, ein Schiller-Zitat von 1782: "nur das Verbot, Schriftsteller zu seyn hat mich aus wirtembergischen Diensten getrieben". An diesem Auftakt vorbei betritt man den "Gotischen Raum", das erste Schauzimmer des Wohnhauses.
Schillers erste thüringische Station wird vorgestellt: Bauerbach, wo der Dichter auf dem Gut der Henriette von Wolzogen Unterschlupf fand. Im angeschlossenen Raum folgen die Stationen Weimar (1787-1788), Volkstedt (1788), Jena (1789-1799) und noch einmal Weimar (1799-1805). Porträts von Kant und Goethe, Weimar-Blätter von Kraus. Sprechende Schiller-Zitate wie: "Jezt gehe ich sehr wenig aus; Tags 2mal zu Charlotten und 2mal spazieren. Montags gehe ich in den Club" (1787). Oder 1793: "Man wird damit anfangen müssen, für die Verfassung Bürger zu erschaffen, ehe man den Bürgern eine Verfassung geben kann."
Im Hausflur des Wohnhauses ist eine 25-Minuten-Dokumentation "Schiller in Thüringen" (Dwars, Piontek) zu sehen, die so lautstark einherflimmert, dass Schiller sofort von seiner Mansarde herabgestürzt wäre, um das Gerät auszuschalten. Ob mit oder ohne Lautstärkeregler: So ein Kasten gehört in den Anbau von 1988, nicht in das Originaldichtergehäuse, das ein kontemplativer Ort bleiben muss. Durch diesen ziehen sich in sparsamer Auswahl Hinweise auf Alltag, Haushalt, Baugeschichte. Großartig ist das "Studiolo" für Kinder, in dem man mit Federkiel schreiben, mit Handpuppen spielen, Scherenschnitte fertigen kann.
Auch Schillers Wohnräume haben neue Zutaten zu bieten: zwei Gemälde im Salon, die Schillers Freund Christian Gottfried Körner und dessen Frau Minna zeigen. Vor allem aber eine neue Dauerleihgabe: Schillers Samowar-ähnliche Teemaschine im Esszimmer. Wenn man sich zu dieser durchweg unaufdringlichen Präsentation etwas wünschen dürfte, wäre es nur das: wenige Informationen zum Interieur - zu Möbeln, Bildern, Büchern also - bereits während des Rundgangs zu finden. Und in diesem Fall einmal nicht auf den Katalog angewiesen zu sein, der inhaltlich und optisch beispielhaft gestaltet ist.
Schillers Wohnhaus, Schillerstraße 12: Di-Fr 9-18 Uhr, Sa 9-19, So 9-18 Uhr
Ernst-Gerhard Güse, Jonas Maatsch: Schillers Wohnhaus. 150 S., 16,90 Euro.