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Friedrich Schiller Friedrich Schiller: Der Rebell und Klassiker polarisiert bis heute

Von Antje Lauschner 03.05.2005, 09:05
Die Totenmaske des deutschen Dramatikers und Dichters Friedrich Schiller («Die Räuber»). Er wurde am 10. November 1759 in Marbach am Neckar geboren und ist am 9. Mai 1805 in Weimar gestorben. (Foto: dpa)
Die Totenmaske des deutschen Dramatikers und Dichters Friedrich Schiller («Die Räuber»). Er wurde am 10. November 1759 in Marbach am Neckar geboren und ist am 9. Mai 1805 in Weimar gestorben. (Foto: dpa) dpa

Weimar/dpa. - «Auch der beste Heldentfernt sich von den humanen Idealen und scheitert, wenn er einefreiheitliche Demokratie umsetzen will», sagt der Weimarer Germanistund Literaturwissenschaftler Lothar Ehrlich.

Dazwischen liegen Jahre der Enttäuschung und des Erkennens um die«hässlichen» Verbiegungen der Geschichte, wie Schiller es nennt. Zwarist er wie viele Intellektuelle seiner Zeit von der FranzösischenRevolution begeistert, wendet sich aber bald enttäuscht ab. Das heereZiel rechtfertige die vielen Opfer nicht. «Die Ernennung 1792 zumEhrenbürger der Französischen Revolution ist ein Missverständnis»,erklärt Ehrlich. Und der Philosoph Rüdiger Safranski sagt, Schillerwollte eine Freiheit, die aus der Selbstbestimmung kommt und nichteine Freiheit, die Ausdruck der Triebnatur ist.

Schiller, 1759 als Sohn eines Wundarztes und Offiziers in Marbacham Neckar geboren, hat schon zu Lebzeiten die Geister geschieden undpolarisiert bis heute. Entweder wurde er maßlos verehrt odergnadenlos verspottet. Christian Gottfried Körner nannte ihn seinenLieblingsdichter. Die Romantiker machten sich lustig über ihn undCaroline von Schlegel soll beim ersten Hören des «Lieds von derGlocke» angeblich vor Lachen fast vom Stuhl gefallen sein.

Sein geniales Erstlingswerk «Die Räuber» - 1782 in Mannheimuraufgeführt - brachte ihm den Ruf des «teutschen Shakespeares» undeines Rebellen ein, der auch bei Goethe, Herder und Wieland in Weimaranfangs nicht willkommen geheißen wurde. Erst Jahre späterakzeptierte Goethe den Dichter, Ästhetiker und Historiker. In denletzten Lebensjahren verband die beiden so ungleichen Geister einetiefe Freundschaft, die in mehr als 1000 Briefen und Billetts zumAusdruck kommt.

Von Friedrich Nietzsche stammt das Urteil vom «Moraltrompeter vonSäckingen». Bertolt Brecht sah die Gefahren, die der Missbrauchidealistischer Parolen zu Freiheit, Nation, Patriotismus, Pflicht undWürde unter anderem im I. und II. Weltkrieg auslösten. Das Hitler-Regime verbot allerdings während des Krieges das Freiheitsdrama«Wilhelm Tell». Schiller rechtfertigt darin die Selbsthilfe zumTyrannenmord. Auch die DDR-Regierung bediente sich gezielt desreichen Zitatenschatzes des Dichters zur Durchsetzung politischerZiele. Für viele osteuropäischen Länder waren Dramen wie «Tell», «DieJungfrau von Orléans», «Don Carlos» und «Die Verschwörung des Fiescozu Genua» wichtige Stücke zur Verdeutlichung ihres Freiheitskampfes.

Bereits 1859, zum 100. Geburtstag Schillers, standen die Balladenmit ihren idealistischen Werten im Vordergrund. Die schonungslosenDramen mit ihren ewigen Widersprüchen zwischen Utopie und Realismus,den Konflikten zwischen dem Einzelnen und den Massen spielten dagegenkaum eine Rolle. «In ihnen ist Schiller um so klarer unddesillusionierender, dass einem schauert», bekennt Ehrlich. UndSchiller-Experte Norbert Oellers sieht Schiller mit seinerDichtungstheorie am Beginn der Moderne: Mit seiner Auffassung, dassder «wahre» Historiker nicht Fakten aneinander reihen, sondernEreigniszusammenhänge darstellen solle, stimme er mit der jüngerenHistorikerzunft aufs schönste überein.

Wie groß die Reibungsfläche auch im 200. Todesjahr des Klassikersist, bezeugt die jüngste Auseinandersetzung zu werkgetreuen Schiller-Inszenierungen. Bundespräsident Horst Köhler hatte an die deutschenTheater appelliert, sich im Sinne Schillers auch als «moralischeAnstalt» zu verstehen. Sie sollten seine Stücke «in ihrer Schönheitund Kraft, in ihrer Komplexität und ihrem Anspruch» repräsentieren,sagte Köhler im Berliner Ensemble (BE). «Ein ganzer Tell, ein ganzerDon Carlos, das ist doch was!». Er sprach sich auch dafür aus, an denSchulen wieder wie früher Schillers Balladen auswendig zu lernen.

Köhler stieß mit seinen Äußerungen auf heftigen Widerspruch beiden Theaterleuten. BE-Intendant Claus Peymann verteidigte das Rechtder Regisseure, mit «Wilhelm Tell» alles zu machen, «wenn man eskann.» Schiller sei wie auch Brecht ein «wilder Träumer» und ein«Märchenerzähler einer besseren Zukunft gewesen».

Das Goethe-Schiller-Denkmal auf dem Theaterplatz in Weimar, aufgenommen im Gegenlicht am 03.03.2005 (Archivbild). (Foto: dpa)
Das Goethe-Schiller-Denkmal auf dem Theaterplatz in Weimar, aufgenommen im Gegenlicht am 03.03.2005 (Archivbild). (Foto: dpa)
dpa-Zentralbild
Blick auf Schillers Wohnhaus und Museum in der Schillerstraße in Weimar (Archivbild vom 20.01.2005). Anlässlich des 200. Todestages des Dichters im Jahr 2005 haben sich die Schillerstädte Weimar, Jena, Meiningen und Rudolstadt sowie die Landeshauptstadt Erfurt und die Stadt Apolda zu einem gemeinsamen Marketing unter der Flagge der Arbeitsgemeinschaft «Schiller lockt 2005 Thüringen» verbündet. (Foto: dpa)
Blick auf Schillers Wohnhaus und Museum in der Schillerstraße in Weimar (Archivbild vom 20.01.2005). Anlässlich des 200. Todestages des Dichters im Jahr 2005 haben sich die Schillerstädte Weimar, Jena, Meiningen und Rudolstadt sowie die Landeshauptstadt Erfurt und die Stadt Apolda zu einem gemeinsamen Marketing unter der Flagge der Arbeitsgemeinschaft «Schiller lockt 2005 Thüringen» verbündet. (Foto: dpa)
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