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Friedliche Revolution 1989 Friedliche Revolution 1989: Schriftsteller Alexander Kluge lobt die Ostdeutschen

Von Christian Eger 23.12.2013, 18:08
Alexander Kluge (81) wurde in Halberstadt geboren, wo er aufwuchs. Bis heute ist der Wahl-Münchner seiner Vaterstadt, hier bei einer Lesung im Mai 2013, eng verbunden.
Alexander Kluge (81) wurde in Halberstadt geboren, wo er aufwuchs. Bis heute ist der Wahl-Münchner seiner Vaterstadt, hier bei einer Lesung im Mai 2013, eng verbunden. Archiv/Jürgen Meusel Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Der Schriftsteller und Filmemacher Alexander Kluge fordert Respekt vor der Lebensleistung der Ostdeutschen. „Man muss Respekt haben vor so vielen Jahren des persönlichen Einsatzes und Lebens, das ja in Wirklichkeit ein Land ausmacht und das unabhängig ist vom Regime“, sagte Kluge der MZ.

Mit Blick auf die Feierlichkeiten zu 25 Jahren Friedlicher Revolution im Jahr 2014 sagt der 81-Jährige: „Politisch wird das, was in den Gebieten der ostdeutschen Länder  zwischen 1945 und 1989 geschah, unzureichend dargestellt, das kann man wirklich sagen. „Statt der Geschichte des Staates DDR und seiner Organisationen müssten die „Geschichten der arbeitenden Menschen“ erzählt werden, sagt Kluge. „Wenn sie das tun, erscheint die DDR auf einmal als etwas sehr Elementares. Wenn Sie die Mühe betrachten, die sich Menschen gegeben haben von 1945 bis 1989, erscheint eine alternative DDR.“

Der 9. Oktober 1989 rückte die Stadt Leipzig schlagartig in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Mehr als 70.000 Menschen zogen friedlich um den Altstadtring und skandierten «Wir sind das Volk».

DDR-Staatssicherheit, Betriebskampfgruppen und Polizei waren in Alarmbereitschaft versetzt, griffen aber nicht ein. Die SED-Führung wollte eigentlich mit Härte reagieren, doch die sowjetische Staatsführung versagte die Unterstützung für eine gewaltsame Zerschlagung der Demonstration.   

Maßgeblich zum friedlichen Verlauf des 9. Oktober trug auch ein Aufruf der «Sechs von Leipzig» bei. Leipziger Persönlichkeiten, unter ihnen Gewandhauskapellmeister Kurt Masur, riefen Demonstranten und Sicherheitskräfte via Lautsprecher zur Besonnenheit auf.

Ausgangspunkt der Massenproteste gegen das SED-Regime war seit Sommer 1989 das montägliche Friedensgebet in der Nikolaikirche. Volkspolizisten nahmen nach dem Gottesdienst vor der Kirche willkürlich Verhaftungen vor.

Am 25. September 1989 kam es erstmals zu einer kleineren Demonstration in der Leipziger Innenstadt. Der Protest der Straße, seitdem als «Leipziger Montagsdemonstration» bekannt, war der Anfang vom Ende der DDR.

Der 9. Oktober gilt als Schlüsselereignis für die friedliche Revolution in der DDR: Der Damm war gebrochen. Eine Woche später zogen bereits mehr als 100.000 Demonstranten gegen die SED-Herrschaft durch Leipzig.

Am 18. Oktober gab Staats- und Parteichef Erich Honecker auf. Am Vorabend der Ernennung seines Nachfolgers Egon Krenz demonstrierten in Leipzig bereits 300.000 Menschen.

Kluge lobt die Fähigkeiten der Ostdeutschen, sich gegen „die Zufälle und Unfälle, die das Leben schwer machen“ zu wappnen. „Immer gab es Pannen, die behoben werden mussten.  Die Fähigkeit, etwas reparieren zu können, besaßen ganze Generationen in der DDR. Dafür wird auf dem Weltmarkt nicht bezahlt. Das finde ich schade.“ Und: „Das ist eine Seite der Welt, die nicht dem Markt entspricht, aber sie spiegelt die menschliche Arbeitskraft. Das ist eine Geschichte, vor der ich Achtung habe, und die noch nicht geschrieben ist.“

Alexander Kluge, der 1932 in Halberstadt geboren wurde und in München lebt, gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellern („Chronik der Gefühle“, „Schlachtbeschreibung“), Filmemachern („Abschied von gestern“) und Fernsehproduzenten. 2003 wurde er mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet, dem bedeutendsten deutschen Literaturpreis.