Freddie Mercury Freddie Mercury: Leben wie russisches Roulette

London/dpa. - Erst einen Tag zuvor hatte er erstmals öffentlich zugegeben, ander Immunschwäche zu leiden. «Ich habe ganz bestimmt nicht denEhrgeiz, 70 zu werden», hatte er einmal gesagt. «Das wäre dochlangweilig.» Aber an einen Abschied mit 45 hatte er dabei wohl auchnicht gedacht. Lange leugnete er die Krankheit, am Ende fühlte ersich verlassen: «Du kannst in der Menge stehen und doch einsam sein.»
Aus seinem Kamikaze-Lebensstil hatte er nie einen Hehl gemacht.Alkohol und Kokain waren seine täglichen Begleiter, sein Albtraum wares, in ein leeres Schlafzimmer zu kommen. «Ich hatte eine MengeLiebhaber - Männer und Frauen», gab er freimütig zu. Sein Leben sei«wie russisches Roulette.»
Dass er ein Star war, will er schon immer gewusst haben. Nurdauerte es etwas, bis er die Welt davon überzeugt hatte. Der Sohneines britischen Diplomaten persischer Abstammung, geboren auf derostafrikanischen Insel Sansibar, war mit 13 Jahren nach Londongekommen. Als die Swing-Zeit ihrem Höhepunkt zustrebte, verkaufte ermit einem gewissen Roger Taylor schrille Klamotten in Kensington.1968 gründete Taylor seine erste Band. Zusammen mit den GitarristenJohn Deacon und Brian May sowie dem attraktiven Freddie wurde daraus1970 Queen.
Es war vielleicht die kopflastigste Erfolgsband derRockgeschichte. Taylor hatte einen Doktor im Fach Biologie, May hattein Astronomie ähnlich hohe Weihen angestrebt, Deacon war Diplom-Elektroniker, und Mercury hatte eine Auszeichnung für Grafik undDesign. Das schlug sich in genauestens ausgearbeiteten, zuweilen als«überperfekt» und «kalt» kritisierten Stücken nieder. Mercury selbsthatte jedoch ein verblüffend unkompliziertes Verhältnis zu dieserArbeit: «Meine Lieder sind Einwegrasierer», sagte er. «Sie machenSpaß, sie sind modern, und wenn man sie ein paar Mal gehört hat,reicht es. Wunderbarer Wegwerf-Pop.»
Zu Mercurys millionenfach verkauften Hits gehörten «BohemianRhapsody», «You Are My Best Friend» und «We Are The Champions». Aufder Bühne liebte der Opernfreund Verkleidungsexzesse, ständigenKostüm- und Rollenwechsel: Da kam er mal in knallenger schwarzerLederuniform, mit nacktem Oberkörper und Macho-Gesten daher, dann alsvollendeter Gentleman im weißen Sacko, schließlich als Diva mitFederboa. «Es ist wie Schauspielern», sagte er. «Ich spieleverschiedene Charaktere. Es ist Illusion, eine Show.»
Sein letzter zu Lebzeiten veröffentlichter Song trug den Titel«The Show Must Go On». Doch für Queen ging nach ihm nichts mehr.«Ohne Freddie kann es uns nicht mehr geben», sagte May. 1995 stürmteQueen zwar noch einmal weltweit die Hitparaden, aber auch diesesComeback lancierte kein anderer als der inzwischen gestorbeneFrontmann: An dem Album «Made In Heaven» hatte er bis zuletztgearbeitet und verfügt, dass es erst vier Jahre nach seinem Tod aufden Markt gebracht werden durfte.