Frauen im Todestrakt: Beklemmender Debütroman aus den USA
München/dpa. - Im Todestrakt eines Gefängnisses in Texas kreuzen sich die Lebenswege dreier Frauen: Während Karen auf ihre Hinrichtung wartet und von der Gefängnisärztin Franny mit Zuwendung betreut wird, gelingt es Celia, der Witwe eines von Karens Opfer, auch nach Jahren nicht, die Trauer um ihren Mann zu überwinden. Erst die Begegnung mit seiner Mörderin löscht den Hass und gibt ihrer Seele Frieden.
Amanda Eyre Ward hat sich für ihren Debütroman einen spannenden, berührenden Plot ausgedacht und vor allem das Leben todgeweihter Frauen im gesonderten Trakt eines amerikanischen Gefängnisses gründlich recherchiert. Hinter dem Etikett "Die Träumenden" verbirgt sich in der Tat Stoff für die Leinwand: Sandra Bullocks Produktionsfirma hat sich bereits die Filmrechte gesichert. Fünf Frauen bewohnen den "Trakt mit Sicht auf die Berge". Ein Fernseher und ein festgeschraubter Tisch aus Zement sind das Inventar des gemeinsamen Vorraums ihrer vergitterten Zellen. Jede der Frauen weiß ihren Hinrichtungstermin.
Jackie ist als erste dran. Sie darf wie jede Todeskandidatin fünf Zeugen benennen, die ihr "beim Sterben zusehen". Karen ist die Nächste auf dem Weg zum Schafott. Die 29jährige blickt auf ein verpfuschtes Leben zurück, weiß, dass sie, die selbst Opfer brutaler Männer gewesen war, Schuld auf sich geladen hat, als sie ihre Peiniger tötete. Innerlich ist Karen längst tot, eine HIV-Infektion zerfrisst ihren Körper und ihr einziger Wunsch ist es, noch vor der Hinrichtung zu sterben. Denn sie will sich "trotzdem ein bisschen Würde bewahren" und in ihren letzten intimen Momenten nicht die Augen neugieriger Zuschauer auf sich spüren.
Diesen Wunsch vermag ihr die überkorrekte Ärztin Franny nicht zu erfüllen. Verzweifelt kämpft sie gegen Karens Krankheit, so wie sie vorher verzweifelt und ebenso erfolglos um das Leben eines kleinen krebskranken Mädchens gekämpft hat. In panischer Furcht vor der Auseinandersetzung mit sich selbst stürzt sie sich auf die Aufgabe, Karen zu helfen. Und schadet ihr doch nur. Celia wiederum bringt erst fünf Jahre nach dem Mord an ihrem Mann die Kraft auf, abzuschließen und jene Frau zu sehen, die sie zur Witwe gemacht hat. "Mir wurde klar, dass Karen zu verzeihen etwas war, was ich für mich selbst tun musste." Die Begegnung im Gefängnis wird für alle drei Frauen zum Wendepunkt.
Mit seltener Eindringlichkeit wird hier der Ausnahmezustand von Menschen beschrieben, die Zeitpunkt und Art ihres Todes lange vorher wissen - und sich dennoch an der Routine ihres alltäglichen Lebens hinter Gittern klammern. Und wohl kaum je wurde der Ablauf einer Hinrichtung so exakt protokolliert wie in dem Roman. Das ist äußerst beklemmend zu lesen. Und auch wenn Ward Effekte bewusst einsetzt, um die Gefühle ihrer Leser zu stimulieren, tut sie das mit dem respektablen Ziel, die Brutalität dieser Strafe vor Augen zu führen, die noch in 38 Bundesstaaten der USA erlaubt ist.
Amanda Eyre Ward
Die Träumenden
btb, München
314 S. Euro 19,90
ISBN 3-442-75121-7