Frankreich Frankreich: Pornografisches aus der Nationalbibliothek

Paris/dpa. - Für die einen ist es ein sündhaftes Laster, für die anderen das Paradies: Sex jeder Art. Unter dem Titel «Die Hölle der Bibliothek. Heimlicher Eros» zeigt die französischeNationalbibliothek in Paris eine Ausstellung, die bei den Besuchern Schamröte ins Gesicht steigen lässt oder für glasige Augen sorgt. Biszum 2. März sind rund 350 Zeichnungen mit reichlich entblößtenGenitalien, pornografische Filmsequenzen und Bücher, diesadomasochistische Praktiken schildern, zu sehen. Lange waren dieseWerke für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
In Deutschland heißt der Ort, an dem solche obszönen undanstößigen Dokumente verschlossen werden, Giftschrank, in Frankreich«L'Enfer», die Hölle. Dieser Fundus entstand Ende der 1830 Jahrewährend der Regierung von Louis Philippe. «Der Bestand wurde alsextrem verwerflich, aus bibliophiler Sicht jedoch zuweilenhochwertvoll charakterisiert», erklärt die Kuratorin Marie-FrançoiseQuignard.
Und so ist in der Ausstellung reichlich Sex seit dem 17.Jahrhundert zu sehen. Marquis de Sade ist mit seinen Sex- undGewaltexzessen zahlreich vertreten, aber auch Robert-André Andréa deNerciat mit «Der Teufel im Leibe». Während «L'Enfer» 1876 rund 600Titel zählte - die Hälfte waren Pfändungen - stieg die Zahllasterhafter Titel zwischen 1913 und 1969 um 850 an.
Heute zählt der Pornobestand, der sonst nur für Forschungszweckezugänglich ist, rund 1700 Titel. Im Zuge der Studentenunruhen und dersexuellen Befreiung wurde der Sonderbestand 1969 aufgelöst, aufDrängen der Wissenschaftler und Bibliothekare 1983 wieder eingeführt.«Nicht aus moralischen, sondern aus rein praktischen Gründen», meintedie Kuratorin. Die zum Teil sehr kunstvoll illustrierten Bücher undManuskripte werden auch durch fernöstliche Kamasutra-Zeichnungen undzeitgenössische Kunst wie Fotografien von Man Ray ergänzt.
Zu den lasterhaften Vertretern des 20. Jahrhunderts gehört JeanGenet, der in seinen Werken Sex mit Männern beschreibt, oder GeorgesBataille, für den die erotische Erfahrung eine wichtige Antriebskraftwar. Auch Salvador Dali wurde in die «Hölle» verdammt, weil in derMitte einer Grafik ein grauer Fleck zu sehen ist. Dali hat sich beimMalen selbst befriedigt. «Ich zeichne mit links und masturbiere mitrechts, bis das Blut kommt», sagte der spanische Maler einst.
Warum eine solche Ausstellung erst jetzt stattfindet? «Die Zeitenhaben sich geändert. Man geht heute mit Pornografie weniger prüdeum», meint die Kuratorin. Einige verklemmte Reaktionen im Vorfeldschienen dem eher zu widersprechen. Die Ausstellung ist mit rund 600Besuchern täglich jedoch ein Publikumserfolg und zieht überwiegendMänner an - ob aus bibliophilem Interesse sei dahingestellt.