Frankfurt/Main Frankfurt/Main: Ausstellung zur Geschichte des Tagebuchs wird eröffnet

Frankfurt/Main/dpa. - Heute ziehen neben den traditionellenTagebüchern die Internet-Weblogs Millionen von Neugierigen an. DieGeschichte des Tagebuchs von seinen Anfängen vor rund 500 Jahren bisins Digitalzeitalter wird erstmals umfassend in einer Ausstellung inFrankfurt erzählt. Im Museum für Kommunikation sind vom 6. März bis14. September über 300 Tagebücher und Weblogs zu sehen. Neben denZeugnissen völlig unbekannter Schreiber werden auch zahlreicheOriginal-Dokumente von berühmten Autoren präsentiert - von Goethe bisKafka, von Clara Schumann bis Adorno und Walter Kempowski.
Unter dem Titel «Absolut privat!? Vom Tagebuch zum Weblog» willdie Schau gängige Vorstellungen auf den Prüfstand stellen. Tagebücherwaren seit der Erfindung des Buchdrucks auch in der frühen Neuzeitkeineswegs nur privat gedacht, lautet eine These. Jeder Tagebuch-Schreiber habe immer schon auch an einen möglichen Mitleser gedacht.Umgekehrt dürften die Weblogs (Kunstwort aus «Web» und «Logbuch») imInternet, die heute das «papierene» Tagebuch ergänzen, nicht nur aufEgotrips und Exhibitionismus reduziert werden. Allein in Deutschlandwerden diese «Blogs» von schätzungsweise einer Million Menschengelesen.
Gedrucktes Papier ist zwar in der Geschichte des Tagebuchs amwichtigsten. Aber sogra Klopapier wurde als Material benutzt. Und derSozialdemokrat Fritz Solmitz, einer der ersten politisch Verfolgtendes Nazi-Regimes, hat 1933 im KZ Fuhlsbüttel seine letzten Lebenstageauf Zigarettenpapier dokumentiert. Die Webloggerin Anke Grönerberichtete wiederum 2006 in ihrem Weblog von dem unerwarteten Fundeiner Kiste mit «Tagebuchhölzern» ihres verstorbenen Großvaters HansGröner. Dieser hatte über Jahre hinweg kurze Nachrichten aufHolzklötzen hinterlassen, die eigentlich als Brennmaterial vorgesehenwaren.
Diese Installation gehört zu den interessantesten Exponaten derAusstellung, weil hier traditionelles und elektronisches Tagebuchverschmelzen. Im Weblog hat Anke Gröner der längst verstummten Stimmedes großväterlichen Loggers - das Wort Log bedeutet im EnglischenHolz - Gehör verschafft. Beeindruckend präsentiert wird auch dieGeschichte des Fotografen Dietmar Riemann, der seine vergeblichenAusreiseanträge aus der DDR in den 80er Jahren in zwölf Tagebüchernfestgehalten hat. Dazu gehören neben Zeitungsartikeln zahlreicheFotos, die Riemann mit einer unauffälligen Sucherkamera geschossenhat. Das zeithistorische Dokument, das lange niemanden interessierte,wird heute im Deutschen Tagebucharchiv in Emmendingen bei Freiburgaufbewahrt.
Mit einer Vielzahl auch völlig unbekannter Tagebücher ist dassüdbadische Archiv zum wichtigsten Leihgeber der Ausstellunggeworden. Entstanden ist die Schau in Zusammenarbeit mit demSonderforschungsbereich Erinnerungskulturen der Universität Gießen.Im Anschluss an Frankfurt wandert die Ausstellung nach Nürnberg undBerlin.