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Frank-Heinrich Müller Frank-Heinrich Müller: Die Kinder von Pforta

Von David Ortmann 06.02.2004, 16:15

Leipzig/MZ. - Dort tragen sich seit Gründung der Schule um 1543 die Neuankömmlinge in ein dickes, jüngst erneuertes Buch ein. "Doch obwohl seit 150 Jahren die Fotografie bekannt ist, wurden die Schüler nie sichtbar gemacht", erklärt Müller. So sei die Idee zur Dokumentation entstanden - und auch der Rektor der Schule, Karl Büchsenschütz, habe die Idee begeistert aufgenommen.

Seit August 2001 fotografiert der Leipziger nun die jeweils neu immatrikulierten neunten Klassen, jeden Schüler einzeln, drei Aufnahmen aus verschiedenen Entfernungen, dazu eine kurze Videoaufnahme, um Namen und Gesicht später miteinander verbinden zu können.

Seinem modernen Atelier sieht man es kaum an, doch die analoge Fotografie begeistert Müller noch immer. "Digitale Fotos werden schnell geschossen und ebenso schnell wieder gelöscht, klassische Fotos sind viel dauerhafter." Um Bleibendes geht es auch, wenn die Schüler parallel zu den Fotos mit der Frage "Was ist dein Traum?" konfrontiert werden.

Dabei trifft Müller nicht immer auf bedingungslose Kooperation: "Manchmal fragen mich die Schüler, warum ich das überhaupt mache", sagt er lächelnd. Verständlich, wertet er das eigenfinanzierte Projekt doch selbst als "wirtschaftlich unsinnig". Auf Fragen antwortet er deshalb nur: "Ich sammle."

Müller versteht sich als Archivar, der das Material sammelt und aufbewahrt, aber nicht wertet. Als Abiturienten erhalten die Schüler schließlich eine Postkarte mit den von ihnen gemachten Fotos, und gemeinsam mit der Schulzeit ist für sie dann auch Müllers Projekt zu Ende - vorerst, denn er spricht von der Möglichkeit, nach zehn Jahren ein letztes Foto zu machen.

Ganz neu ist die Idee nicht: Schon vor mehr als 40 Jahren erblickte der sogar heute noch fortgesetzte Defa-Film "Die Kinder von Golzow" das Licht der Welt und dokumentierte das Heranwachsen von sieben Kindern in der DDR.

Ebenso verfolgt Camilo Vergara aus New York mit seiner Kamera über Jahrzehnte die Entwicklung amerikanischer Stadtrandgebiete und prägte dabei den auch von Müller gern verwendeten Begriff eines "urban archivist".

Davon inspiriert, hütet Müller, der Archivar, die Entwicklung von fast 80 Schülern pro Jahrgang in seinem Atelier. Drei Mal jährlich kommt er aus Leipzig in den Süden Sachsen-Anhalts, um von den Pfortensern Fotos zu machen. "Ich werde das so lange fortsetzen, wie ich es mir leisten kann und Interesse besteht", erklärt er. Dass aus dem Projekt eines Tages mehr wird, schließt Müller nicht aus: "Ich bin kein Schriftsteller, ich werde das nicht zusammenfassen, aber der Stoff gibt auf jeden Fall etwas her."