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Frank Beyer Frank Beyer: «Sehr genau, besessen vom Film»

Von Andreas Montag 02.10.2006, 17:29
Die legendäre Zimmermanns-Brigade Balla aus «Spur der Steine» mit Manfred Krug als Chef. 
Die legendäre Zimmermanns-Brigade Balla aus «Spur der Steine» mit Manfred Krug als Chef.  dpa

Halle/MZ. - 1963 war er mit "Nackt unter Wölfen" nach Bruno Apitz sowie der Komödie "Karbid und Sauerampfer" zum Star geworden und kehrte 1975 mit "Jakob der Lügner" triumphal zurück.

Dieser Film wurde für einen Oscar nominiert, eine Ehre, die keinem anderen Defa-Film zuteil geworden ist. Damit hatte Frank Beyer, der am Sonntag im Alter von 74 Jahren gestorben ist, zwar den Status der Unberührbarkeit erreicht. Das hinderte die SED-Kulturverwalter aber nicht daran, ihm weiter Schwierigkeiten zu machen. Er wird wohl nicht sehr getrauert haben, seine Sache war die Arbeit, nicht die Ideologie. Das hat den in Nobitz (Thüringen) Geborenen neben Konrad Wolf zum herausragendsten DDR-Filmregisseur qualifiziert.

Der Schriftsteller Erik Neutsch, der 75-jährig am Rand von Halle lebt, nennt Frank Beyer "sehr genau, sehr ernst, besessen vom Film". Er sei "zum Teil unbelehrbar" gewesen, "was ja auch ein gutes Zeichen ist". Dabei wird Neutsch auch an seinen anarchischen Arbeiterhelden Balla denken, die Hauptfigur aus "Spur der Steine", im Film verkörpert von Manfred Krug.

Dass Frank Beyer mit seinem geradlinigen Charakter Ärger mit der DDR bekommen würde, ist in Neutschs Augen nur logisch - dass es den Ärger für "Spur der Steine" geben würde, hat ihn und Neutsch, der einen Beraterstatus bei der Produktion innehatte, allerdings völlig unerwartet getroffen. Bei einer Voraufführung in Potsdam im Juni 1966 noch hoch gelobt, kam es zwei Wochen später zum Eklat bei der Premiere des Films.

Die Geschichte hat man sich über alle DDR-Jahre hinweg immer wieder erzählt, sie ist zur Legende in der Legende geworden. Tatsächlich ist der Film erst nach der Wende wieder gezeigt worden - und wird noch künstlerische Gültigkeit besitzen, wenn die Namen der Zensoren längst vergessen sind.

Neutsch erinnert sich, dass Beyer und er am Vorabend der Premiere (einen Tag, nachdem das SED-Politbüro den Film in Augenschein genommen und für "schädlich" erkannt hatte) zum damaligen Kulturminister Klaus Gysi bestellt wurden. Der wusste, was kommen würde und wollte sie davon abhalten, zur Premiere ins Kino "International" an der Berliner Karl-Marx-Allee zu gehen. Aber sie gingen natürlich doch hin, auch Manfred Krug und Eberhard Esche, der den moralischen, an der Liebe und der Moral seiner Partei strauchelnden Parteisekretär Horrath spielt.

Da saßen sie schon, die Genossen von der paramilitärischen "Kampfgruppe", die man als letztes Aufgebot immer dann brauchte, wenn vermeintlich der "Klassenfeind" ins Haus stand, beim Mauerbau war es schon so. Und 1989 sollte sie ja auch noch mal ran... Wer die treibende Kraft hinter dem Verbot des Filmes war, der in Halles Goethe-Lichtspielen immerhin noch eine Woche lang zu sehen war, bevor er endgültig verschwand? Neutsch hat Paul Fröhlich, den Leipziger Bezirkschef der SED und üblen Hardliner, im Verdacht. Für den Regisseur wurde es nach dem Verbot richtig bitter. Natürlich ging die Defa sofort auf korrekten Kurs: Arbeitsverbot, Hausverbot, das volle Programm. Beyer durfte immerhin am Theater arbeiten, in Görlitz und Dresden. Das schon vorliegende Skript nach Jurek Beckers tragikomischem Roman um den Juden Jakob, der sich im Ghetto ein Radio erfindet, um seine verzweifelten Leidensgefährten mit Meldungen über den sowjetischen Vormarsch und die bevorstehende Befreiung am Leben zu halten, blieb einstweilen liegen.

Als Beyer, nach Jahren begnadigt, den Film dann realisieren konnte, wurde er ein internationaler Erfolg. Es folgten "Das Versteck" und "Geschlossene Gesellschaft", scharfe Binnenansichten der DDR, 1983 "Der Aufenthalt" nach Hermann Kant. Immer öfter ließ die zänkische Ostrepublik den Regisseur nun im Westen arbeiten, nach Honeckers Sturz holte man eilends "Spur der Steine" aus dem Tresor.

In den 90er Jahren hat Beyer noch Erich Loests Roman "Nikolaikirche" und Manfred Krugs Erinnerungen "Abgehauen" erfolgreich für das Fernsehen verfilmt. Einen großen Kinofilm hätte man ihm freilich noch gewünscht.