Folklore Folklore: Klingende Sehnsucht
Halle/MZ. - Sechs Leipziger Schüler waren es, die sich im Sommer des Jahres 1984 zusammenfanden, um sich in der jungen Folklore-Szene der DDR einen Platz zu erobern.
Am Anfang nannten sie sich Fiedolin, zwei Jahre später aber begann ihr Weg zurück nach vorn - in jene Zeit, aus der die Instrumente stammten, die Sebastian Pank und Veit Heller nach eigenen Recherchen bauten. Und so entstanden die Ioculatores, die sich nach 25 Jahren gemeinsamen Musizierens von der Bühne verabschieden. Es ist ein selbst gemachter, kostbarer Rahmen, in dem das älteste ostdeutsche Ensemble für mittelalterliche Musik am Samstag sein Finale feiert: Beim Freyburger Festival montalbâne, das die Ioculatores-Musikerin Susanne Ansorg leitet, tritt das zwischenzeitlich auf neun Mitstreiter angewachsene Minne-Orchester in der Stadtkirche St. Marien noch einmal vor das Publikum. Mit dabei sind auch Sebastian Pank, der inzwischen als Schlossherr auf Goseck residiert und das Label Raumklang betreibt, Jörg Peukert, der in der Nachbarschaft die Neuenburg verwaltet, Veit Heller, der als stellvertretender Direktor des Leipziger Instrumentenmuseums wirkt, Kay Krause, der die Leipziger Werbeagentur Kocmoc.net gegründet hat, Sabine Heller und Alexander Dinter, Michael Metzler und Robert Weinkauf .
Das ist, sagt Weinkauf ein kreatives Netzwerk, das längst an vielen anderen Knotenpunkten miteinander arbeitet. Und darum ist die Trennung auch kein wehmütiger Abschied in schlechten Zeiten, sondern die Konsequenz aus der Entwicklung der Ioculatores. Nachdem sich die Musik-Zeitreisenden am Ende der DDR so weit etabliert hatten, das man bei einer Folklorewerkstatt eigens einen Sonderpreis für ihre Musik kreierte und sie zu Gastspielen nach Jaroslawl und Moskau schickte, kam mit der Wende auch die Frage nach der gemeinsamen Zukunft.
Einerseits stand mit der weiten Welt nun auch die internationale Forschung zur Musik des Mittelalters offen. Und andererseits gab es eine verführerische Vielfalt von Möglichkeiten diesseits von Walther von der Vogelweide und Oswalt von Wolkenstein. Und doch bewiesen die Ioculatores sich und Anderen, dass man mit den Klängen von Trumscheit und Fidel, Maultrommel und Dudelsack, Harfe und Laute ganz handgreiflich Gutes wirken kann: 1990 spielten sie ein erstes Benefizkonzert für die ruinöse Doppelkapelle des Schlosses Neuenburg, ein Jahr später etablierten sie ihr eigenes Festival in Landsberg bei Halle, das seit 1993 in Freyburg stattfindet. Im gleichen Jahr musizierten sie zur Eröffnung der "Straße der Romanik", in deren Katalog inzwischen auch das Schloss Goseck aufgenommen wurde - wofür die Ioculatores im vergangenen Jahr mit dem Romanikpreis des Landes Sachsen-Anhalt geehrt wurden.
Das musikalische Material aber, dass sie vor allem im mitteldeutschen Raum recherchiert und musiziert haben, liegt auf CD und in den Rundfunkarchiven vor: darunter so verdienstvolle und mit Lust zum Leben erweckte Ausgrabungen wie die mittelalterliche Weihnachtsmusik "frofro" und die "Vita S. Elisabethae" ( Raumklang).
Das Beste von alldem soll am Samstag noch einmal erklingen - und das Alles wird bleiben, wenn die Musiker künftig getrennte Wege wählen. Da das Mittelalter aber immer auch mit Mystik zu tun hat, tröstet Robert Weinkauf sich selbst und die traurigen Fans mit einem salomonischen Spruch: "Nur wer geht, kann wiederkommen."
Konzert am Samstag um 15 Uhr in der Freyburger Stadtkirche St. Marien