Filmpremiere in Leipzig Filmpremiere in Leipzig: Kästners wilde Thomaner
Leipzig/MZ. - Roter Teppich, Scheinwerfer, Blitzlicht-Gewitter und aufgeregte Stars, die in der Mehrzahl erst zwölf oder 13 Jahre zählen: Die Neuverfilmung von Erich Kästners Kinderbuch "Das fliegende Klassenzimmer" (1933) feiert am Samstagabend im Leipziger "Cinestar" Uraufführung. Danach will der Beifall des Premierenpublikums kein Ende nehmen, und Regisseur Tomy Wigand muss immer wieder Hände schütteln. Sein Film hat Kinder und Erwachsene gleichermaßen angesprochen und sie viele Schauplätze wieder erkennen lassen. Denn er wurde hier in Mitteldeutschland gedreht, direkt vor der Haustür, im Zentrum von Leipzig und im Internat der Landesschule Pforta bei Naumburg.
Verlegt wurde die Handlung in das Internat des berühmten Thomanerchors Anfang des 21. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen, wie bei Kästner auch, die Internatsschüler und ihre mehr oder weniger schrulligen Lehrer. Doch an die Stelle der Realschüler sind jetzt die "Externen" gerückt, und, anders als bei Kästner, spielen jetzt weibliche Figuren eine große Rolle.
Die intelligente Modernisierung macht es möglich, die immer gültige Geschichte von Freundschaft und Vertrauen durch Alltagsprobleme von heute (Scheidung der Eltern, soziale Gegensätze, erste Liebe) und behutsame Rückblenden in die jüngere Vergangenheit zu bereichern.
Jonathan Trotz (Hauke Diekamp) ist schon von acht Internaten geflogen. Leipzig ist seine letzte Chance. Seine erste Bewährungsprobe hat er gleich zu Anfang, als Kreuzkamm junior (Francios Göske) von den Externen entführt und in einem Keller gefangen gehalten wird. Die gefährliche Rettungsaktion, die ausgerechnet vor der Aufzeichnung des Weihnachtsoratoriums stattfindet, schweißt den Neuen zusammen mit den anderen Hauptfiguren, dem besonnenen Martin (Philipp Peters-Arnolds), dem kleinen, ängstlichen Uli (Hans Broich Wuttke) und seinem Beschützer, dem stets hungrigen Matz (Frederick Lau).
Die fünf sehr unterschiedlichen Charaktere bieten für die jungen Zuschauer jede Menge Möglichkeiten zur Identifikation. Wobei vielleicht angesichts des verständnisvollen Chor- und Internatsleiters Dr. Justus Bökh (Ulrich Noethen) mancher Schüler vor Neid erblasst. Denn die Lehrer-Figur ist so angelegt, dass die Kinder ihm voll vertrauen. "Der Justus fragt nach unserer Meinung, nimmt uns ernst, erzählt auch was von sich", antworten Frederick, Francois, Hans und Philipp auf die Frage, warum ihre Filmfiguren ihren Lehrer so sehr mögen. Ob sie selbst solche Lehrer kennen? Der eine mag seine Französich-Lehrerin, der andere den Mathelehrer. "Aber als Schüler darf man sich nicht anbiedern, um vor den anderen nicht als Schleimer dazustehen", meint Francois aus München. Einen wie Justus, den hätte man schon gern, und wenn es darauf ankäme, würden sie sich genau wie die Filmkinder für einen Freund einsetzen.
Die Produzenten Uschi Reich und Peter Zenk haben für ihre nach "Emil und die Detektive" und "Pünktchen und Anton" bereits dritte Kästner-Adaption eine wunderbare Besetzung und eine temporeiche, fantasievolle Umsetzung gefunden. Nicht nur, dass das titelgebende Theaterstück in ein cooles Space-Musical mit Rap und fetzigen Kulissen umgewandelt wurde, Piet Klocke als Direktor Kreuzkamm urkomisch ist, Ulrich Noethen und Sebastian Koch (in der Rolle des Nichtrauchers) durch wohltuende Zurückhaltung sehr glaubwürdig agieren und mit ihrer Geschichte den Zuschauer berühren. Es ist einfach gelungen, ernste und heitere Töne anzuschlagen - zu unterhalten und nachdenklich zu stimmen. Insofern geht "Das fliegende Klassenzimmer" weit über einen Kinderfilm hinaus.
Der Film startet am Donnerstag bundesweit in den Kinos.