Film Film: Fatih Akin schlägt Brücken am Bosporus

Istanbul/dpa. - Fatih Akin ist sichtlich glücklich - und wiedereinmal beim Brückenschlagen zwischen zwei Kulturen. Der aus derTürkei stammende Hamburger Regisseur und Berlinale-Gewinner kreuzt imSeeräuber-Look zwischen Kabeln, Sitzkissen und Schiffsmasten auf demDreimaster «Bumerang» über den Bosporus. An Deck spielen dietürkische Band Baba Zula im rhythmischen Zusammenspiel mit AlexanderHacke, dem Bassisten der Einstürzenden Neubauten. Auf Videoaufgenommen wird Material für Akins Dokumentarfilm «Crossing theBridge - The Sounds of Istanbul». «Ich liebe diese Stadt», schwärmtAkin, «bedingungslos». Sie sei zwar anstrengender aber auch «vielschöner» als Hamburg. «Sie ist lauter, es ist viel mehr los, es isteinfach viel, viel mehr Leben.»
Die Megastadt am Bosporus sei ihm nie fremd gewesen. «MeineMutter ist aus Istanbul, seit meiner frühesten Kindheit bin ich haltimmer hier gewesen», erzählt Akin. So richtig habe er die Stadt abererst entdeckt und kennen gelernt, seit er Filme mache und auch dortarbeite. Während der Dreharbeiten für den Dokumentarfilm, in demNeubauten-Bassist Hacke als Protagonist die Musikszene von Istanbulerkundet, wohnt das Filmteam von sechs bis acht Leuten im Hotel«Londra» im Stadtteil Beyoglu - meist ausgebucht, seit dort Teile von«Gegen die Wand» gedreht wurden. Mit dem Film hatte Akin bei derBerlinale den Golden Bären gewonnen.
In Istanbul werden für den Filmemacher zudem ganz persönlicheTräume wahr. Zu den 13 Künstlern oder Gruppen, die für Akin und seinerechte Hand Hacke das «Klangbild» Istanbuls abbilden, gehört SezenAksu - «eine Frau, die ich ein Leben lang bewundert habe». Nach einemersten Kennenlernen «backstage» habe sie ihm «aus einer Laune heraus»angeboten, einen Song für ihn aufzunehmen. «Die große, große SängerinAksu nimmt mit dem kleinen Filmemacher aus Hamburg-Altona einen Songauf», begeistert sich Akin. Und doch befürchtet er schon jetzt: «Wirwerden am Ende frustriert nach Hause fahren. Weil die ganze Vielfalteinfach nicht zu erfassen ist. Ich sehe schon die Kritiken in derTürkei vor mir: Das soll der gesamte Sound von Istanbul sein? Was istmit dem, was ist mir der?».
Er meint, dass vor allem aber seine Landsleute in Deutschland mitseiner Arbeit wenig anzufangen wüssten. «Ich glaube, die kleinsteZuschauergruppe, die ich hatte, sind die Türken in Deutschland», sagtAkin. Sie seien ohnehin ein Fall für sich: «Ganz viele Türken inDeutschland, die wissen überhaupt nicht, was in Istanbul passiert.Die kommen hierher und sind völlig verloren. Die haben überhauptkeine Ahnung, die finden hier überhaupt keinen Anschluss. Da istirgendetwas schief gelaufen.» Sein Fazit: «Wir Deutschtürken könnentierisch viel von den Türken hier lernen.»
Die Idee für ein Projekt über Musikkulturen habe Akin schonlänger, doch habe sich vor seinem Berlinale-Erfolg kaum einer dafürinteressiert. «Nach Berlin wollten es auf einmal alle haben», sagtAkin. Selbst aus Hollywood habe er jetzt Angebote erhalten, «auchgute, namhafte». Allerdings gefalle ihm Los Angeles als Stadt nicht.«Nur Film, Film Film, das ist es halt auch nicht. Ich brauche eineKneipe, in der ich nach den Dreharbeiten was trinken kann.»