Festival Women in Jazz Festival Women in Jazz: Gebürtige Bernburgerin Cristin Claas spricht über Premiere

Halle (Saale) - Uraufführungen sind genau das, was das Festival Women in Jazz in Halle so einzigartig macht. Auch in diesem Jahr steht eine Premiere an. Am 1. Mai um 17 Uhr ist Cristin Claas, eine der bekanntesten Jazzmusikerinnen Deutschlands, gemeinsam mit ihrem gleichnamigen Trio, dem Berlin Jazz Orchestra, dem Sänger Marc Secara aus Berlin und der mosambikanischen Sängerin Isabel Novella in einem Big-Band-Konzert in der Oper Halle zu erleben. Damit geht für die gebürtige Bernburgerin ein großer Wunsch in Erfüllung. Sylvia Pommert hat mit ihr darüber gesprochen.
Frau Claas, Sie sind zum vierten Mal Gast bei Women in Jazz. Das lässt darauf schließen, dass Ihnen das Festival besonders am Herzen liegt. Warum?
Claas: Der Fokus liegt auf den Frauen im Jazz. So etwas gibt es in Deutschland vermutlich nicht noch einmal. Und wenn wir in die Geschichte des Jazz schauen, war so etwas auch nicht üblich. Ich finde, es ist eine Superidee, die Frauen im Jazz zu hofieren. Und trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass auch Männer mitmachen. Mittlerweile hat Women in Jazz auch einen echt guten Ruf. Das Festival ist bekannt im Land und darüber hinaus. Und viele Künstlerinnen würden gern hier auftreten. Als gebürtige Bernburgerin freut es mich natürlich besonders, dass sich ein solches international besetztes Festival im mitteldeutschen Raum etablieren konnte.
Sie treten in diesem Jahr zum ersten Mal mit Big Band auf. Und nicht nur das: Mit Isabel Novella und Marc Secara sind zwei großartige Künstler an Ihrer Seite. Wer hatte die Idee?
Claas: Ehrlich gesagt wird mir selbst ein bisschen schwindlig, wenn ich an das Projekt denke. Zwar haben wir bei unseren Festivalauftritten immer Uraufführungen erlebt. Soweit ich mich erinnere, gab es kein Konzert „nur“ mit dem Cristin-Claas-Trio. Mal war der Universitätschor dabei, ein anderes Mal die Staatskapelle. In diesem Jahr aber hat sich der Veranstalter etwas ganz Besonderes ausgedacht. Die Fusion von Cristin Claas und Big Band ist für mich ein großes Geschenk, das ich auskoste. Unser Pianist Christoph Reuter hat die Claas-Songs extra für die Big Band arrangiert. Das wird ein tolles Erlebnis. Gekrönt wird das Ganze durch den Auftritt von „Artist in Residence“ Isabell Novella aus Mosambik. Ich freue mich, mit einer solch authentischen afrikanischen Musikerin auf der Bühne stehen zu dürfen. Beides wird für mich ein Hochgenuss, aber auch ein bisschen Nervenkitzel.
Den Wunsch, mit einer Big Band aufzutreten, hatten Sie aber schon länger, oder?
Claas: Schon, aber ich habe das noch nie getan. Ich habe zwar Pop- und Jazzmusik studiert, bin aber noch nie mit einer Big Band in Berührung gekommen. Ich dachte immer, irgendwann wird der richtige Zeitpunkt dafür schon kommen. Inzwischen sind ein paar Jahre vergangen. Und jetzt fühle ich mich der Sache auch gewachsen. Ich bin einfach unglaublich neugierig und freue mich auf diese hochkarätigen Musiker. Das wird ein Wahnsinns-Happening. Das wird toll.
Das Cristin-Claas-Trio hat sich vor allem als Live-Band einen Namen gemacht. Sie schauen auf knapp tausend Konzerte zurück. Dazu kommen sechs Studio-Alben und seit wenigen Tagen auch das erste Live-Album. Das klingt ziemlich stressig. Wie schaut der Band-Alltag aus?
Claas: Stress? Gar nicht. Wir haben uns für dieses Leben entschieden, um es uns schön komfortabel zu machen. Als die Band entstand – das liegt jetzt 15 Jahre zurück – da war alles extrem dicht getaktet. Doch mittlerweile haben wir uns einen guten Ruf erspielt. Ich habe eine Familie gegründet, habe eine kleine Tochter, und ich habe mich etwas zurückgenommen. Das Live-Spiel ist familienkompatibler geworden. Wir gehen nicht monatelang auf Tour. Vielmehr treffen wir uns hauptsächlich an den Wochenenden zum Konzert und genießen das Zusammensein. Dazwischen haben wir unsere normalen sozialen und familiären Kontakte. Das funktioniert gut, und das ist auch zwischenmenschlich ein großes Glück.
Sie sind von Bernburg „in die Welt“ gezogen. Nach dem Studium ging es nach Berlin, nun leben Sie in Speyer. Sind solche Entfernungen hinderlich für den Band-Alltag?
Claas: Wir mussten uns immer irgendwo in der Mitte treffen. Logistisch klappt das ganz gut. Dinge verändern sich. Da muss man sich halt ein bisschen mitbewegen. Und für das, was ich liebe, mache ich es gern. Aber ich komme auch immer wieder gern zurück nach Bernburg, wo ich die ersten 19 Jahre meines Lebens verbrachte. Meine Familie lebt noch dort.
Sie selbst nennen Ihre Musik Songpoesie. Und wenn man genau hinhört, ist es vor allem ein Stilmix. Haben Sie bewusst vermieden, in eine bestimmte Richtung zu gehen?
Claas: Das hat sich tatsächlich so ergeben. Und manchmal ist es sogar ein bisschen hinderlich, wenn man nicht in eine Schublade passt. Aber wir drei sind musikalisch recht verschieden. Einer setzt seinen Schwerpunkt im Rock/Pop, der andere im Jazz oder bei Singer/Songwriter. Und wenn man uns drei musikalisch zusammenbringt und schüttelt, dann entsteht halt so ein Mix. Es war vielleicht keine bewusste Entscheidung. Aber es ist auch schön, wenn man sich nicht festlegen muss. Das ist ja das Tolle, wenn man in der Kreativität keine Grenzen gesetzt bekommt. Wenn ein musikalischer Impuls kommt, denken wir nicht darüber nach, ob das zu uns passt, sondern gehen ihm einfach nach. So bekommt ein neuer Song intuitiv den Sound, der unser Trio ausmacht. Das ist eine große Freiheit. Man kann eine Stilrichtung auch nicht an einem bestimmten Bandmitglied festmachen. Denn mit der Zeit sind wir ziemlich symbiotisch geworden.
Sie singen in Englisch und Deutsch, aber auch in einer Kunstsprache. Genügen Ihnen zwei Sprachen nicht für das, was Sie ausdrücken wollen?
Claas: Die Kunstsprache entstand ursprünglich aus der Improvisation. Wenn wir also an einem neuen Stück arbeiten, dann ist meist noch kein Text da. Zuerst entsteht die Musik. Andere singen Lalala. Aber das ist mir zu langweilig. Ich nutze Fantasie-Silben. Vokalverbindungen, die ich ganz schön finde. Und wenn sich entscheiden soll, ob die Musik einen englischen oder deutschen Text bekommt, kann es sein, dass nach meinem Gefühl eigentlich nichts passt. Dann entscheide ich mich für das „Claasische“.
Kann man es lernen?
Claas: Nein, diese Sprache entsteht in meinem Kopf-Kino. Niemand beherrscht das „Claasische“, nicht einmal ich. Vermutlich versteht es auch niemand außer mir. Aber die Kunstsprache lässt meinen Gedanken freien Raum. Und sie gibt der Musik mehr Gewicht. Worte und Inhalt bleiben im Hintergrund. Die Silben sind zwar oft identisch. Ich glaube aber nicht, dass meine Sprache in jedem Konzert gleich ist. Denn nicht jeden Abend spielt sich in meinem Kopf die gleiche Geschichte ab. Das klingt vielleicht verrückt, lässt mir aber einen schönen Spielraum für Fantasie.
Die Arbeit als Live-Band steht beim Cristin-Claas-Trio im Vordergrund. Doch einen Namen gemacht haben Sie sich auch mit Projekten wie der Kinderoper „Oskar und die Groschenbande“ oder dem Musical „Sarg niemals nie“, für die Sie gemeinsam mit Christoph Reuter die Musik schrieben. Ist Ähnliches in der Zukunft geplant?
Claas: Geplant ist zunächst ein Open-Air-Projekt zum Reformationsjubiläum in Wittenberg. Da wollen wir unter anderem mit Schülern einer Musikschule sowie mehreren Chören zusammenarbeiten. Das Musical „Sarg niemals nie“ geht zeitgleich auf Wanderung durchs Land. Das ist für uns ein Supererfolg. Bislang wurde es ausschließlich in Berlin gespielt. Doch neue Ideen haben wir natürlich auch. Für andere Künstler Musik zu schreiben, ist sehr reizvoll. Das ist jedenfalls ein Bereich, der Christoph Reuter und mir sehr viel Spaß macht. Und so wird in den nächsten Jahren auch hier mehr zu erwarten sein. (mz)
Die MZ verlost drei signierte Exemplare des druckfrischen Live-Albums. Schreiben Sie bis Freitag, 12 Uhr, eine E-Mail an [email protected]. Die Gewinner werden unter Ausschluss des Rechtsweges ermittelt und benachrichtigt.