Festival Festival: Kulturarena in Jena ist gestartet

Jena/dpa. - Zwei Stundenlang hätte der vor 250 Jahren geborene Dichter begeistertePremierengäste beobachten können - mitgerissen von einer frechen und humorvollen Inszenierung des Theaterhauses. Er hätte aber aucherleben müssen, dass bei luftigen Temperaturen die langen Monologegegen Ende doch des Guten zu viel waren. Nach mehr als zwei Stundenohne Pause verließen viele Gäste die Arena vor der Schlussszene.
Regisseur Markus Heinzelmann und Bühnenbildner Gregor Wickertbrachten mit riesigem Aufwand den Schweizer Gründungsmythos auf dieJenaer Bühne. Im Vordergrund mit Gras bewachsene Hügel, in derenMitte ein Gebirgsbach plätschert. Im Hintergrund die schroff grauenGebirgszüge der Alpen und oben auf dem Gipfel ein großes rotleuchtendes Kreuz. Dazwischen jede Menge Getier, gespielt vonStatisten, und reichlich Schweiz-Klischees: Ein Bankautomat,Wanderbänke, Touristenbusse und Käse-Fondue.
In Jena wird Schillers Heldengeschichte zur Frauensache. DerSchwyzer Revolutionsführer Stauffacher (Saskia Taeger) kommt alsleicht überspannte, kettenrauchende Karrierefrau daher, während sichihr Gatte Gert (Bernhard Dechant) als treu sorgender Vater latentüberfordert um das ewig schreiende Baby und die pubertierende Tochter(«Ich hasse Berge!») kümmert. Anführer Walther Fürst aus Uri wird zurWalter-Fürst (Zoe Hutmacher), die zwar die Schweiz liebt, aber ihreProbleme mit den Tieren des Waldes hat.
Doch trotz Frauenpower will die Revolution bei den etwas langsamenund emotionslosen Schweizern nicht so recht in Gang kommen. Da kommtHilfe - im Trabbi direkt aus Lateinamerika: Che Guevara. Mit einerfeurigen spanischen Ansprache bringt er die Eidgenossen zu ihremRütlischwur: «Viva la revolutión!» Und während die Schweizer sichihrer ewigen Treue zueinander versichern, reist Che als Touristweiter zum Matterhorn.
Wilhelm Tell (Vera von Gunten) bekommt von alldem nichts mit, weilseine Frau (Grazia Pergoletti) lieber mit ihren Freundinnentelefoniert, als ihm von den Plänen der Eidgenossen zu erzählen. Tellals Draufgänger mit männlichem Namen und weiblicher Figur schließtsich dem Treiben erst an, als der Landvogt ihn zwingt, seinem Sohnaus 80 Metern Entfernung einen Apfel vom Kopf zu schießen. Am Endetötet Tell den Tyrannen, was ihm den ewigen Respekt seiner Landsleuteeinbringt: «Der ist tipptopp - absolut besser als der Rambo!».
Die Jenaer Inszenierung kam als klassisches Spektakel daher - mitreichlich Effekten, Blasorchester, Band, Rocksängerin, Soulsängerin,DJ, einem Videokünstler, unzähligen Statisten und jeder Menge Trara.Dennoch wirkte die Inszenierung in diesem Jahr nicht überfrachtet.Viele kleine Ideen machten sie sehenswert - auf der Gegenseite aberzum Ende hin sehr lang. Dennoch durfte sich das Jenaer Theaterhaus-Team in der ausverkauften Arena am Ende über einen langen Applausfreuen.
Bis Sonntag steht die Kulturarena mit drei weiteren Aufführungendes Freiluft-Spektakels noch im Zeichen der Schweiz. In der kommendenWoche startet die Konzertreihe mit Künstlern aus aller Welt. Zu denStargästen gehören Gentleman, Hubert von Goisern, Solomon Burke undThomas D. Neben 31 Konzerten bietet das Festival bis zum 23. August14 Filmabende und mehrere Angebote für Kinder. In den vergangenenJahren lockte das längste Sommer-Festival in Thüringen regelmäßigrund 70 000 Besucher auf den Jenaer Theatervorplatz.