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Falcones' «Kathedrale» unterhält trotz Klischees

Von Annett Klimpel 03.01.2008, 11:34

München/dpa. - Spanien im 14. Jahrhundert. Ein kleiner Junge kommt als Sohn einer vergewaltigten Bäuerin zur Welt. Um ihn vor den Launen seines Feudalherren zu retten, flieht sein Vater nach Barcelona. In der freien, reichen Stadt wächst Arnau heran - und wird einer ihrer angesehensten Bürger.

Auf diesem Grundgerüst hat Ildefonso Falcones einen historischen Roman aufgebaut, der zum Bestseller wurde: «Die Kathedrale des Meeres» erscheint in mehr als 30 Ländern, allein in Spanien und Italien wurden nach Angaben des Scherz-Verlages bereits mehr als zwei Millionen Exemplare verkauft. Nun ist auch eine deutsche Ausgabe erhältlich.

Der Roman ist das erste veröffentlichte Buch Falcones'. Das seitenstarke Werk umspannt die Zeit von der Zeugung Arnaus bis zu dessen letzten Lebensjahren. Auf seinen Streifzügen durch die Gassen Barcelonas stößt der kleine Arnau auf die Grundfesten einer Kirche, der «Santa María del Mar». Das vom Volk für das Volk errichtete Bauwerk fesselt sein Interesse und als sein Vater als Aufständischer verhaftet und gehängt wird, findet der Junge bei jenen Zuflucht, die riesige Felsblöcke vom Berg Montjuïc zur Baustelle schleppen: den Bastaixos, den Lastenträgern im Hafen der Stadt.

Ein für die Rettung seiner Kinder dankbarer Jude lässt Arnau schließlich zum ebenso reichen wie angesehenen Geldwechsler und Günstling des Königs aufsteigen. Lediglich das Glück mit den Frauen bleibt dem jungen Mann - zunächst - verwehrt. Zudem ruhen Arnaus Neider nicht eher, bis der Bauernsohn in den Fängen der Inquisition umzukommen droht. Durch die Handlung ziehen sich als roter Faden die Fortschritte beim Bau der Kirche. Zudem werden etliche Ereignisse der Zeit - die Kriege gegen Frankreich, Kastilien und die Republik Genua, der Ausbruch der Pest sowie die Judenpogrome - einbezogen.

Schon das Cover und der Titel erinnern an Ken Folletts Klassiker «Die Säulen der Erde». Auch in «Die Kathedrale des Meeres» steht ein Gotteshaus im Zentrum einer epischen Romanhandlung. Das größte Plus des Buchers sind die detailreich gezeichneten Schilderungen des mittelalterlichen Alltags der Stadt. Der Leser erfährt, dass nur lebendes Vieh nach Barcelona gebracht werden durfte, wie sich das Bürgerheer formierte, sobald Rechte der Stadt verletzt wurden und dass es Männern erlaubt war, untreue Ehefrauen lebenslang in einem Verschlag einzumauern. In einem Nachwort erläutert der Autor die historischen Hintergründe seines Werkes und trennt Fiktion und Fakten.

Anders als in Historiendramen wie «Der Name der Rose» von Umberto Eco sind die Geschicke der fiktiven Protagonisten in Falcones' Werk aber recht grob geschnitzt. Die Rollen der Guten und Bösen sind klar verteilt, Arnaus Aufstieg geschieht in derart abrupten Sprüngen, dass die Handlung wenig schlüssig wirkt. Bemüht, möglichst viele historische Ereignisse einzubeziehen, lässt Falcones seinen Protagonisten Heldentaten begehen und Schrecken durchleiden, die für mehrere Leben gereicht hätten und in ihrer Aneinanderreihung dann doch unglaubwürdig wirken.

Leser, die Erzählungen wie Rebecca Gablés «Das Lächeln der Fortuna» lieben, werden auch «Die Kathedrale des Meeres» in ihr Herz schließen. Das monumentale Werk ist unterhaltsam - wenn man sich an der Bedienung etlicher Klischees, vorhersehbar agierenden Protagonisten und wenig tiefsinnigen Handlungssträngen nicht stört.

Ildefonso Falcones de Sierra arbeitet als Anwalt in Barcelona. Der verheiratete Vater von vier Kindern schrieb fünf Jahre lang an seinem Erstling. Die gotische Kirche «Santa María del Mar» im Stadtviertel La Ribera gibt es tatsächlich. Sie wurde in der Rekordzeit von 55 Jahren - 1329 bis 1384 - erbaut. Der Einsatz der Bastaixos ist dort auf einer Bronzetafel und zwei Reliefplatten festgehalten.

Ildefonso Falcones

Die Kathedrale des Meeres

Scherz Verlag, Bern-München

656 S., Euro 19,90

ISBN 978-3-5021-0097-3