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Falco Falco: Erbprinz des Rokoko'n'Roll

Von Andreas Hillger 16.02.2007, 17:56

Halle/MZ. - Also noch einmal "Two, three, four, eins, zwei, drei / Es is nichts dabei / Wenn ich euch erzähl' die Geschicht": Geboren am 19. Februar 1957, hat der "Hansi" die Musikalität und Melancholie seiner Heimatstadt früh verinnerlicht. Als Vierjähriger bekommt er ein Klavier geschenkt, ein Jahr später bescheinigt ihm die Aufnahmeprüfung am Konservatorium das "absolute Gehör" - und als Bassist der Band Drahdiwaberl hat der 18-Jährige schließlich sein musikalisches Coming Out. Dass er zuvor noch eine katholische Privatschule besucht und eine Lehre in der Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte abbricht, ist so weanerisch, dass man es nicht erfinden muss.

Wer aber war dieser genialische Mann, der seinen Künstlernamen nach dem DDR-Skispringer Falko Weißflog wählte und als erster deutschsprachiger Künstler die Nummer Eins der amerikanischen Billboard-Charts knackte? Der sich mit dem ersten eigenen Song über den Drogenkonsum der Schickeria auch das erste Rundfunk-Verbot einhandelte - und posthum in "Out of the Dark" die Frage stellte "Muss ich erst sterben / um zu leben"?

Der berühmte Falco-Satz "Wer sich an die 80er Jahre erinnern kann, hat sie nicht erlebt" umreißt seine ganze Karriere vom kometenartigen Aufstieg mit "Der Kommissar" bis zum Verglühen in "Data de Groove". Seinen letzten Auftritt gab der Sänger 1997 auf der Weihnachtsfeier der Airline von Niki Lauda. Da war er wieder dort angekommen, wo er angefangen hatte.

Wie ungerecht dieser Absturz in das Betriebsvergnügen ist, zeigt das Jubiläumsalbum. Falcos englisch-österreichischer Manierismus, der sich auf seinem zweiten - und trotz des kommerziellen Misserfolgs wohl konsequentesten - Werk "Junge Römer" an den "Heroes" des David Bowie orientierte, entwickelte sich mit der Zeit zu einem kleinen Welttheater der Zitate und Assoziationen. Die Walzerseligkeit der Strauß-Familie und die Wiener Klassik des Wolfgang Amadeus Mozart hatte er ebenso verinnerlicht wie die fetten Bläsersätze der amerikanischen Big Bands und das Stakkato der Rapper. Dass er die stählerne Härte längst mit dekadenter Ironie parfümiert hatte, als die neuen deutschen Riefenstahl-Epigonen noch in kurzen Hosen steckten, macht Songs wie "Brillantin Brutal" zur prophetischen Antwort auf Zukunftstrends.

Irgendwie wirkte dieser kleine Prinz des Rokoko'n'Roll immer, als wäre er aus einer früheren Epoche in die Gegenwart gestürzt. Wenn er seine lässigen Sprüche aus dem Ärmel schüttelte, ohne sich um die Fallhöhe zwischen Platitüde und Weisheit zu kümmern, gab er ganz den Dandy aus den Zeiten eines Arthur Schnitzler oder Hugo von Hofmannsthal. Dass er schon bei seinen Auftritten mit dem Anarcho-Kollektiv Drahdiwaberl Plastikhüllen über seiner Abendgarderobe trug, passt dazu ebenso wie seine Vorliebe für den "Schnee, auf dem wir alle talwärts fahr'n". Die Stadt Wien reimte sich für den Lebemann Falco immer nur auf Kokain.

Dass er freilich auch mit dem Morbiden kokettierte, das dem "Wiener Blut" als Gerinnungsmittel beigemischt ist, zeigt sich in der skandalösen Hymne "Jeanny". Die Moritat, die alle schrecklichen Bilder im Kopf des Hörers entstehen lässt, war die ultimative Pose des Tabubruchs - und auch der Anfang vom Ende des massenkompatiblen Superstars. Dass Falcos sprachliche Verknappung und Verquirlung immer hermetischer wurde und Songs wie "Neo Nothing - Post of All" generierte, lässt ihn heute als Vorreiter der effizienten Poesie im Internet erscheinen. Folgerichtig ist er inzwischen dort zu Hause - und in der endlosen Sci-Fi-Serie "Perry Rhodan", wo im Heft 1263 ein "Falco Hoelzel" auftaucht.