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Fabers DDR-Bibliothek Fabers DDR-Bibliothek: Drei Dichter sagen: Ohne uns!

Von Christian Eger 07.08.2002, 16:49

Halle/Leipzig/MZ. - Das Projekt des Leipziger Verlegers ElmarFaber, eine "DDR-Bibliothek" zu veröffentlichen,ist ein Unternehmen mit hohem Repräsentativitäts-Faktor.Begonnen im Jahr 1995, sollen Bücher ediertwerden, in denen der Ostler "mit sich undseiner Geschichte ins Gespräch" kommt undder Westler etwas "vom Leben der Leute inder DDR" erfahren soll. Es ging und geht demLeipziger Verlag Faber & Faber also auch um"die Einheit" und um das volkspädagogischGute, Wahre, Schöne. Präsentiert mit Büchern,die "die Frage beantworten helfen" sollen:"Welche Geltung hatte und hat die DDR-Literaturund was wird von ihr bleiben?"

Der Humor steckt hier wie das Teufelchen imDetail und die Details liefern die gegenständlichenund lebensweltlichen Untiefen des Begriffes,dem sich Fabers Edition widmet. Denn wedergab es eine im gesellschaftlichen Konsensdefinierte "DDR-Literatur" noch hatten sichdie Autoren, die damit gemeint sein sollen,durchweg mit diesem von der DDR-Germanistikerfundenen Etikett anfreunden wollen. VolkerBraun widmete sein 1970er Lyrikdebüt Mickelund Tragelehn - nicht mit dem Zusatz "DDR"-,sondern "deutsche Dichter".

Solcherart Fragen soll bei Faber eine dieEdition krönende DDR-Literaturgeschichte klären,zu schreiben von den Ostberliner GermanistenFrank Hörnigk und Dieter Schlenstedt. Faberhat seine Bibliothek auf 40Bände (wie 40DDR-Jahre)entworfen - eine symbolisch aufgeladene Zahl,die genau deshalb auch eine humorige Notebesitzt. Denn wie viele Bände würde demnach,wenn es sie denn geben sollte, eine "Bibliothekder Weimarer Republik" enthalten: nur 15 wie15 Jahre? Auch wenn - sehr im Gegensatz zuWeimar - viele Literaten die DDR begrüßten,gilt: Die Zeiten sind vergangen und sie sindnicht allen gut bekommen. "Es ist nicht nötig",schrieb Uwe Johnson, der 1959 die DDR verließ,"diese Rechnung neu aufzumachen, aber sieverträgt es, offen zu bleiben".

Es war nur eine Frage der Zeit, bis genaudiese Fragen Fabers Projekt "DDR-Bibliothek"erschüttern würden. Die Erschütterung ereignetesich nun bei Band 22, der unter dem Titel"Kommt uns nicht mit Fertigem", Gedichte von108 Autoren "aus der DDR 1949-1990" präsentierensollte. Drei Autoren erwirkten, dass ihreGedichte nicht gedruckt werden dürfen: WolfBiermann, der 1976 aus der DDR ausgebürgertwurde; Reiner Kunze, der die DDR 1977 undGünter Kunert, der den Staat 1979 verließ.

Ein Anruf in Kaisborstel bei Itzehoe, wo der73-jährige Kunert lebt. Warum, Herr Kunert,sollen Ihre Gedichte nicht in Fabers Lyrik-Anthologieerscheinen? "Ich möchte nicht mit Leuten ineinem Band vereint sein, die nicht geradedie edelsten Menschen und wundervollsten Dichtergewesen sind."

Namen? Ach, die habe er schon abgehakt.Was halten Sie von einer "DDR-Bibliothek"?"Das halte ich für Schwachsinn." Begründung?"Die wirklich bedeutenden oder sehr namhaftenAutoren der DDR sind ja alle greifbar, diekann man überall kaufen. Also was soll das?"

(Der Text wurde gekürzt. Die vollständige Fassung lesen Sie in der Druckausgabe der Mitteldeutschen Zeitung von Donnerstag, 8. August 2002.)